Die Orthodoxie hat durch das Festhalten an der "wahren" Erkenntnis eine sehr große Schwierigkeit. Neue Erkenntnisse, man denke nur an die Schriftrollen vom Toten Meer, welche unser Bild vom AT reformiert haben, würden nicht so aufgenommen bzw. gewürdigt wie nötig. Auch würden weitere aktuelle Forschungsergebnisse aus der Archäologie oder Geschichtsforschung nicht in der verdienten Form aufgenommen werden, wenn an einem starren Korsett festgehalten würde.
Bei der Exegese würde, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, das historisch-kritische wegfallen, was aus heutiger Sicht mit Wissenschaft natürlich nur noch wenig zu tun hätte. Dies würde natürlich zusätzlich auch interdisziplinäres Arbeiten erschweren.
Durch das apologetische Auftreten gegenüber den anderen Konfessionen wäre darüber hinaus der heutige interkonfessionelle/interreligiöse Dialog zumindest noch sehr viel schwieriger.
Auf der anderen Seite äußert sich die Evangelische Kirche in der Öffentlichkeit, wenn sie zu gesellschaftlich relevanten Themen Stellung bezieht, in meinen Augen sehr häufig überwiegend aus ethisch-humanistischer Perspektive. Eine weiterführende Stellungnahme (auch aus) dogmatischer Richtung, trüge meiner Ansicht nach auch dazu bei, das Profil der Evangelischen Kirche zu schärfen und Orientierung aus einem weiteren Blickpunkt liefern.
Heutige evangelische Theologie ist nicht mehr der Ansicht die einzig wahre Erkenntnis zu besitzen. Sie erkennt an, dass es unterschiedliche Sichtweisen und Ergebnisse zu einzelnen Sachverhalten gibt. Dialog und ergebnisoffene, wenn auch streitbare, Diskussion wird in der heutigen Theologie (zumindest vom Ideal her) betrieben.