Die Entwicklung des Selbstverständnisses der Theologie seit der Reformation, lässt sich meiner Meinung nach zwischen den drei Begriffen Wahrheit, Ordnung und Einheitlichkeit beschreiben. Alle drei Begriffe, sicherlich ließen sich noch deutlich mehr Begriffe finden, stellen meines Erachtens nach einen Wunsch und ein Bestreben innerhalb der Theologie nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 dar.
Sowohl in der Dogmatik als auch in der Polemik lässt sich der Wunsch erkennen, in der Theologie die Wahrheit zu finden, zu beschreiben und letztlich gegen andere Meinungen, die als falsch und somit negativ wahrgenommen werden, zu verteidigen. In diesen Streben nach der Wahrheit findet sich der Ursprung der Abgrenzungen zu jeweils anderen theologischen Schulen (Calvinisten und Römisch-Katholische) und auch zu anderen Theologen der protestantischen Seite, denn wenn man selbst die Wahrheit erkannt hat und andere diese nicht annehmen, dann muss man sich in Wort und Tat von diesen abgrenzen.
In den, oftmals strengen, Kirchenordnungen lässt sich, wie es der Name schon sagt, der Wunsch nach Ordnung erkennen. Die gefundene Wahrheit galt es dann, in den eigenen kirchlichen Strukturen und in den Orten der eigenen Konfession, durchzusetzen. Sowohl in der Ausbildung der neuen Leitungspersonen, in den Leitungsgremien als auch durch die Kirchenzucht in der breiten Bevölkerung.
Schlussendlich wurde der Wunsch nach Einheit wieder größer, wie sich nach den verschiedenen Lehrstreitigkeiten in der Formula Concordiae zeigt. Die Abgrenzung zur römisch-katholischen Kirche bleibt deutlich, doch innerhalb des Luthertums findet sich durch Kompromisse eine gewisse Eintracht (daher der Name).
Innerhalb der in der Vorlesung erzählten Geschichte lassen sich die Chancen und Grenzen orthodoxer Theologie bereits deutlich erkennen. Gerade in chaotischen oder schwierigen Zeiten ist der Wunsch nach Ordnung oft so groß, dass orthodoxes Denken viel Zuspruch findet, da Ordnung und Kontrolle wichtiger erscheinen, als das Streben nach präzisester Wahrheit in allen Details. In der Theologie bleibt aber das Streben nach Wahrheit (in irgendeiner Form) oft so groß, dass orthodoxes Gedankengut dann hinterfragt werden muss, besonders wenn in dessen Gedankenstrukturen etwas steckt, was einzelne Personen oder auch Personengruppen so nicht teilen. Hierin besteht dann auch die Frage nach Einheit, denn auch wenn Orthodoxie "einheitlich" erscheint, kann es sein, dass innerhalb der Orthodoxie unzufriedenheit, Meinungsverschiedenheit und schlussendlich auch Aufbruchsstimmung be- oder entsteht.
Dann noch die Ordnung zu wahren, führte in der Vergangenheit oft zu Gewalt.