Orthodoxie

Orthodoxie

von Thea Jansen -
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Das Zitat von Markus Matthias verdeutlicht die große Veränderung in der Theologie seit der Reformation.  

Die lutherisch orthodoxe Theologie trägt den Anspruch „wahre Er- und Bekenntnis“ zu sein und den einzig wahren Weg zu bieten, Gott in Wort sowie Tat zu kennen und zu verehren.

Heute wissen wir jedoch, dass durch den Aufstieg der historisch-kritischen Exegese (im 19. sowie 20. Jh.) die Bibel nicht mehr nur als unfehlbares Dokument gesehen werden kann, sondern auch als ein historisches Werk, dass von Menschen mit ihrem persönlichen, sozialen sowie gesellschaftlichen Kontext verfasst wurde. 

Theologie beschäftigt sich somit heute auch mit der Textgeschichte und Interpretation was sich in der Absolutheit orthodoxer Theologie nicht findet.

Zudem behandelt moderne Theologie viel den Bezug zu anderen Fachbereichen wie beispielsweise der Philosophie. Dies ermöglicht einen weiteren Blick auf schwierige Themen.

Die orthodoxe Lehre von der heiligen Schrift stellt klar, dass aus ihrem göttlichen Ursprung folgende Kennzeichen sich ergeben: auctoritas (Autorität), claritas (Klarheit), perfectio (vollkommene Wahrheit), suffientia (volle Genügsamkeit), efficacitas (Wirksamkeit). 

Das hat den Vorteil, dass die orthodoxe Theologie somit ein eindeutiges, strukturiertes Glaubenssystem bietet. In der heutigen Welt hat man durch social Media sowie den generellen Zugang ins Internet sämtliche Informationen, die zu viel Unsicherheit führen können. Eine derartig klare Theologische Positionierung kann Orientierung, Halt und Sicherheit gewährleisten.

Zudem hat die orthodoxe Theologie eine Signatur, in heutiger Theologie und dem Kirchentag, hinterlassen, die Dinge wie Kirchenrecht, Gottesddienstgestaltung, Kirchenmusik etc. geprägt hat und wohl nicht mehr wegzudenken ist.

Der starke Fokus auf Dogmen und die Bewahrung einer „reinen Lehre“ können jedoch zu fehlendem Dialog und theologischer Starre führen, die den Wandel der Gesellschaft und der Wissenschaft vergisst und so den Umgang mit diesen neuen Erkenntnissen verhindert. Dieser ständige Wandel der Welt erfordert es, sich damit zu beschäftigen, damit nicht an Relevanz und Aktualität verloren wird und Fragen über Menschenrechte (Stichwort Rassismus etc.) oder bspw. den Umweltschutz nicht unbeantwortet bleiben.

Die orthodoxe Theologie bietet also klare Chancen zur Bewahrung von Sicherheit  und Glaubensidentität, kann jedoch in ihrer Starrheit auch hinderlich für den theologischen und gesellschaftlichen Fortschritt sein. Es ist wichtig für ausgewogene Theologie sowohl die Bedeutung der Tradition und Schrift als auch die Notwendigkeit von Anpassung und Dialog berücksichtigen.

Als Antwort auf Thea Jansen

Re: Orthodoxie

von Elisa Giancani -
Ich möchte gerne auf die von der Kommilitonin beschriebene Spannung zwischen Struktur/Eindeutigkeit des Glaubenssystems gegenüber der Gefahr der "Verstockung" und fehlenden Flexibilität eingehen.

Eindeutige Meinungen und Positionen können durchaus Sicherheit geben und bieten deutliche Orientierungspunkte. Allerdings gab es insbesondere in der Frühorthodoxie, doch viele verschiedene Auseinandersetzungen über und mit diesen "eindeutigen" Meinungen. Dies führt wiederum zu Unsicherheiten. Wenn sich die Theolog*innen uneinig bzw. unsicher sind über die Rechtfertigung und heilsstiftende Mittel (Majoristsicher und synergistischer Streit), dann ist dies doch alles andere als eindeutig und orientierungsgebend. Natürlich muss um diese Themen gerungen werden und sie sind ja auch bis heute nicht geklärt (und werden es auch nicht), doch meiner Meinung sorgen starre Dogmen wie in der altprotestantischen Theologie/Orthodoxie nur für ein Verrennen in Fragen, die nicht geklärt werden können. Wenn dieses Nachsinnen über die Fragen in ein Verrennen in sie mündet, dann entfernen sich Theolog*innen/Christ*innen durch solch große Streitigkeiten wie in der Frühorthodoxie, nur immer weiter voneinander und Fronten verhärten sich.
Zumal es bei der Dogmatisierung- damals wie heute- eben um keine eindeutigen Fragen und Antworten geht, die aber als geklärt gelten. Des Weiteren sind Fragestellung nach heilsstiftenden Mitteln und Rechtfertigung in der Form, wie sie geführt werden z.T. nicht ein Mal biblisch, bzw. entbehren keiner biblischen Grundlage, auf die sich die Reformatoren allerdings berufen wollen.

Mein Punkt ist also, dass durch eine zu starke Dogmatisierung zwar eine gewisse Sicherheit gegeben aber teilweise nur suggeriert wird, da es in vielen Themen keine Sicherheit geben kann. Verhärten sich die Positionen entzweien sich Christ*innen stark voneinander und es kommt zu unüberwindbaren (emotionalen) wie realen Kluften, die in der Form nicht nötig wären. Diese Kluften durch Dogmatisierung entstehen und bestehen m.E. heute noch fort (bspw. in Steitigkeiten zwischen Evangelikalen und Landeskirchlern). Die Herausforderungen von Dogmatisierung sind heute also noch hoch aktuell.