Lektion 3: Der Tod Jesu in Predigten des Neuen Testaments

Die Apostelgeschichte kennt nicht nur die Predigt Jesu, sondern in seiner Nachfolge auch die der Apostel. Petrus wie Paulus, Stephanus wie Philippus ergreifen das Wort, um vor Gericht, in der Synagoge und auf dem Markt den Tod Jesu zu beschreiben und zu deuten, so dass die Brücke zum Bekenntnis geschlagen und die Geschichte Jesu vergegenwärtigt wird, aber auch die Bedeutung für das Leben der Zuhörer konkret wird. 

Die Reden der Apostelgeschichte sind keine O-Ton-Reportagen, sondern literarische Predigten, die – den Kriterien antiker Historiographie folgend – die Figuren so reden lassen, wie sie geredet hätten, wenn sie das rechte Wort zur rechten Zeit gefunden hätten. Deshalb stößt die Rückfrage auf Barrieren, die nicht durch differenzierte Literarkritik überwunden werden können, auch wenn der Stil eines Petrus und Paulus, eines Stephanus und Philippus durchschimmern kann. 

Die Reden positionieren verschiedene Deutungsmotive des Todes Jesu (s. Modul IV). 

Das Kontrastschema (Apg 3,15; 5,30; 10,39f.; 13,29f.) setzt das Faktum des Todes gegen sein genaues Gegenteil: die Auferweckung bzw. Auferstehung Jesu. Es arbeitet die Realität des Todes wie der Auferstehung heraus. Es markiert die Verantwortung für den Tod Jesu, entschuldigt aber zugleich diejenigen, die von jüdischer Seite, wie auch immer, involviert gewesen sind, weil sie Jesus nicht als den gesandten Messias erkannt haben (Apg 3,17; 13,27). So hat Jesus selbst nach Lk 23,34 gebetet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Es besteht die Möglichkeit der Umkehr (Apg 3,18f.) – von Gott her unbegrenzt. 

Im Rahmen des Kontrastschemas werden positive Aussagen über den Tod Jesu getroffen, die sich auch in der Bekenntnistradition finden. 

(Petrus) Jesus wird in den Tod „hingegeben“ (Apg 9,23) – Ausdruck der Vorsehung Gottes zum Heil der Welt. 

(Petrus) Jesus wurde verleugnet, der Heilige und Gerechte (Apg 3,15). 

(Petrus) Jesus wurde verworfen, ist aber der von Gott erwählte Wckstein, auf dem das ganze Gebäude ruht (Apg 4,11 – mit Ps 118,22 – in Übereinstimmung mit Lk 20,17). 

(Stephanus) Jesus ist als Prophet verfolgt worden – wie jeder Prophet vor ihm (Apg 7,52). 

(Philippus) Jesus ist der leidende Gottesknecht, den Gott erhöht hat (Apg 8,31-35). 

(Petrus) Jesus ist an den Pfahl der Schande gehängt worden (Apg 10,39 – Dtn 321,23; vgl. Gal 3,13). 

(Paulus) Der Tod Jesu ist schriftgemäß (Apg 13,29) – nicht im Sinne eines Verhängnisses, sondern ein paradoxen Verheißung. 

(Paulus) Der Tod Jesu ist das Vergießen seines Blutes zur Konstituierung des eschatologischen Gottesvolkes, das sich aus den Christusgläubigen bildet (Apg 20,28). 

Die erzählten Predigten entwickelten keine ausgefeilten Theorien und Argumentationen, sondern sind lebendige Anrede, die der Hörerschaft erschließen soll, was der Tod Jesu sie angeht und wie sie angesichts des Todes Jesu neu von sich und von Gott, von ihrer Not und ihrem Glück, von ihrer Geschichte und Zukunft denken sollen. 

Einzelne Briefe, wie der Hebräer- und der Erste Petrusbrief, haben Predigtcharakter.

Der Hebräerbrief deutet den Tod als Selbstopfer des Hohepriesters Jesus (Hebr 7-8). Es werden keine Tiere mehr geschlachtet; es gibt nicht mehr die permanente Wiederholung von Riten. „Ein für alle Mal“ hat Jesus sich hingegeben und damit einen Kult, ein neues Priestertum begründet. Den Leser*innen des Briefes wird dadurch deutlich, dass Gott nicht fern im Himmel thront, sondern im Menschen Jesus, der den Weg zu Gott bahnt, ganz nahe ist. 

Der Erste Petrusbrief greift das Vierte Lied vom Gottesknecht auf (Jes 53), betont aber nicht die Sühne, sondern die Vorbildlichkeit der Gewaltlosigkeit Jesu, in der den Tod hinnimmt und annimmt (1 Petr 2,21-25). 

Die verbinden Reflexion und Paraklese (Trost und Mahnung). Sie stellen die Predigt durch die Schriftform auf Dauer, sind aber auf das Vorlesen und Ausdeuten angewiesen. Sie können längere und höhere Argumentationsbögen bauen und sind deshalb mit der Erinnerungs- und Reflexionsarbeit eng verbunden.


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