Orthodoxie

Orthodoxie

by Jan-Erik Schulz -
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Durch neue Methoden und Möglichkeiten unserer heutigen Zeit und auch bedingt durch ein Weltbild, das vermeintlich grundlegende Dogmen infrage stellt, ist es immer wieder zu neuen Erkenntnissen gekommen. Beispielsweise kann durch verschiedene SchriftstĂŒcke der Bibel (Schriftrollen vom Toten Meer/Qumran-Handschriften, etc.) immer besser nachvollzogen werden, welcher Text wirklich in den ersten "Bibeln" stand. Durch die Hinzunahme von außerbiblischen Quellen und unter BerĂŒcksichtigung des kulturellen historischen Kontextes ist es möglich, einen weiteren Blickwinkel auf die Schriften zu erlangen.

Im Folgenden möchte ich auf persönliche Erfahrungen eingehen, die ich im Kontakt mit (russisch-) orthodoxen Christinnen und Christen aus der heutigen Zeit gemacht habe. Besonders aufgefallen ist mir im Kontakt mit einer orthodoxen Christin, dass sie versucht, zu Glaubensthemen keine eigene Stellung zu beziehen, sondern sich nahezu ausschließlich auf Zitate anderer bezieht, da sie nach ihrer Aussage als Frau nicht lehren dĂŒrfe. Offensichtlich versteht sie die bloße Konversation schon als Lehre und vertritt außerdem die Position, dass nur mĂ€nnliche (orthodoxe) Christen lehren dĂŒften.

Die Zitate, die sie mir gezeigt hat, sind nahezu alles Zitate von KirchenvĂ€tern, die auf bestimmte Themen Stellung beziehen. Besonders wichtig waren ihr frauenbezogene Themen, insbesondere die Stellung der Frau in der Familie und Kleidungsvorschriften. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Meinung der KirchenvĂ€ter bei ihr einen Absolutheitsanspruch haben. Bei dem Versuch ihr zu erklĂ€ren, dass man diese Themen auch begrĂŒndet anders sehen kann und dabei trotzdem noch ein Christ sein kann, wurde ich mehrfach als HerĂ€tiker bezeichnet. Weiter hatte ich den Eindruck, dass sie besonderen Wert auf eine große Frömmigkeit legt, was sich in gesetzlichem Verhalten Ă€ußert: Im Gegensatz zu 1. Kor 11, aus dem man entnehmen könnte, dass eine Frau beim Beten und Weissagen ihr Haupt verhĂŒllen sollte, vertritt sie die Ansicht, dass eine Frau dies sogar darĂŒber hinaus tun sollte, z. B. im Rahmen des gesamten Gottesdienstes und sogar auch darĂŒber hinaus.

Im Rahmen der Konversation betonte sie immer wieder, dass nur die Orthodoxie (die orthodoxe Kirche) die eine wahre Kirche Jesu Christi sei und man als Christ unbedingt dorthin kommen mĂŒsse. Insbesondere fĂŒr den Protestantismus als "Abspaltung" von der einen wahren Kirche hatte sie kaum ein gutes Wort ĂŒbrig. Auf die Frage, ob dann nicht der Katholizismus die "eine wahre Kirche" sei, entgegnete sie, dass die Orthodoxie dem Sinn nach katholisch/allumfassend sei. Nachdem ich sie mehrfach freundlich darauf hingewiesen habe, dass ich sie als Christin betrachte, obwohl wir viele unterschiedliche Ansichten vertreten, ich aber einen Zusammenhang von der christlichen NĂ€chstenliebe mit dem Absprechen des Glaubens von meinen protestantischen Geschwistern und mir nicht erkennen könne, schlug die Stimmung um.

Es folgten ausfĂŒhrliche Entschuldigungen, dass sie ein schlechter Mensch und ich ein besserer Mensch als sie sei. Anhand des weiteren Verlaufs unserer Konversation (und auch anhand der Erfahrung einer anderen evangelischen Christin) ziehe ich allerdings den Schluss, dass diese Entschuldigung nicht primĂ€r einen Respekt vor meinem Glauben ausdrĂŒcken soll, sondern eine weitere Art darstellen soll, eine große Frömmigkeit auszudrĂŒcken.

Anhand dieser Erfahrungen sehe ich eine Schwierigkeit mit heutigen (russisch-) orthodoxen Christinnen und Christen im ökumenischen Dialog, der meiner Meinung nach nicht möglich ist, wenn eine Seite der anderen das Christsein abspricht. Ich finde es schade, wenn ein gewinnbringender Diskurs von glaubensbezogenen Themen nicht möglich ist, da man in Traditionen und Dogmen verharrt, ohne ein Hinterfragen von diesen zuzulassen. Eine Chance ist allerdings das AusĂŒben und Bewahren von Traditionen.

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Re: Orthodoxie

by Ute Gause -
Hallo Herr Schulz,
bitte antworten Sie erneut. Sie haben offensichtlich die Frage nicht korrekt verstanden, da diese sich auf die Vorlesung bezog, in der es um die evangelische Strömung der Orthodoxie im vor allem 17. Jahrhundert geht – es geht nicht um einen heutigen Dialog mit orthodoxen Christen und Christinnen. Bitte sehen Sie sich die Vorlesung nochmals genau an und hören Sie die Kommentierungen an, dann können Sie meine Frage korrekt beantworten. Bitte senden Sie mir Ihre Stellungnahme innerhalb einer Woche per Mail (Ute.Gause@rub.de) zu. Die aktive Teilnahme an der digitalen Vorlesung bedeutet, dass Sie aus den Inhalten der Vorlesung die gestellten Fragen beantworten mĂŒssen.
Mit freundlichen GrĂŒĂŸen
Ute Gause