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Fr, 14-16 Uhr. Online + Präsenz. Wöchentliche ZOOM-Sitzungen, unterstützt durch einen Moodle-Kurs

sowie zwei Präsenztermine: 18.12.2020 und 22.01.2021. 1. ZOOM-Sitzung: 30.11.2020.


Bereits in der Spätaufklärung setzt das Interesse für anonyme, kollektive poetische Ausdrucksformen
ein, die mit einem zugleich ur-alten und neuen sozialen Akteur in Verbindung gebracht werden: dem
Volk. James MacPherson setzt sein berühmtes literarisches 'Fake', die Fragments of Ancient Poetry
des Ossian, 1760 in die Welt. Im Zuge des von MacPherson und Percy geförderten Ballad Revival
entwickelt Johann Gottfried Herder circa zehn Jahre später sein Konzept der Volkspoesie und sammelt
Erzeugnisse einer vermeintlichen mündlichen Kultur, ehe Jacob und Wilhelm Grimm oder Achim von
Arnim und Clemens Brentano um 1800 Märchen, Lieder und weitere mündliche Überlieferungen in das
Medium Schrift übertragen. Einen weiteren Schub erhält diese Konjunktur einer 'Volksliteratur' –
"Natur-" und "Volkspoesie" in einem – durch die später einsetzende französische Romantik, etwa wenn
in den 1840er Jahren der Historiker Jules Michelet das revolutionäre Volk messianisch auflädt. Allein
die verschiedenen Übertragungen, Übersetzungen und Kulturtransfers, denen sich ein solches
Konstrukt wie die in diesen circa 80 Jahren aufsteigende Volksliteratur verdankt – von einer
vermeintlich ursprünglichen oralen Kultur in die Schriftkultur, vom Alten ("ancient") ins Neue, vom
Gälischen ins Englische, von der englischen in die deutsche Öffentlichkeit, von der deutschen
Philologie in die französische Geschichtsschreibung, von der "Volkspoesie" (Herder) in die "livres
populaires" (Michelet) – zeigen exemplarisch, durch welche Dynamiken eine europäische Romantik
entstehen konnte. Ein solches Konstrukt wirft aber auch viele Fragen auf, denen im Seminar
nachgegangen wird. Zum einen lässt sich fragen, inwieweit die damit von der Romantik aufgestellte
Differenz zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit sich als die romantische Fiktion schlechthin erweist.
Zum anderen muss die soziale Funktion der Gelehrten, Philologen und Schriftsteller in den Blick
genommen werden, die meinen, eine solche Volksliteratur und –kultur lediglich schriftlich zu fixieren:
Inwieweit agieren sie als Sammler und Archivare, inwiefern liegt hier eine Form von Fürsprache vor?
Schließlich ist zu fragen, welchen politischen Horizont diese romantische Setzung einer, dem Volk
zugeschriebenen, kulturellen Einbildungskraft eröffnet. Wo verlaufen im Versuch, dem Universalismus
der Aufklärung entgegenzuwirken, die Grenzen zwischen einem 'Multikulturalismus' avant la lettre und
der philologischen Etablierung einer nationalen, wenn nicht nationalistischen Kultur? Gerade vor dem
Hintergrund der zeitgenössischen Debatte um säkulare Werte versus Multikulturalismus wie auch vor
dem Hintergrund einer erneuten Konjunktur des 'Völkischen' bei den europäischen neuen Rechten
erhalten die gelehrten Bemühungen um eine kulturelle Imagination des Volkes in der Zeit der Romantik
eine gewisse politische Brisanz.


Das Seminar wird überwiegend als Video-Konferenz (per ZOOM) durchgeführt. Alterniert werden dabei
Sitzungen mit einer Expertengruppe (bis zu 5 Pers. je nach Teilnehmerzahl) und Sitzungen im Plenum
einschließlich Breakout Sessions mit den jeweiligen Expert*innen. 2 Präsenzsitzungen im Verlauf des
Semesters sind miteingeplant: 18.12.2020 und 22.01.2021. Über die Begleitplattform (Moodle) wird im
Vorfeld des Seminars die engere Auswahl der Texte bekanntgegeben, die zugrunde gelegt wird.


Semester: SoSe 2024
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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