Die Ästhetisierung des Verfalls zieht sich durch die abendländische Kultur seit der Wiederentdeckung der Spuren der antiken Welt in der Renaissance und verhandelt häufig das eigentlich Unvereinbare (Kultur vs. Natur, Ewigkeit vs. Vergänglichkeit, "Nicht-Mehr" vs. "Noch-Nicht"). 

Seit dem Umbruch von 1989 haben sich die architektonischen Landschaften jenseits des eisernen Vorhangs durch Modernisierung und Kommerzialisierung zudem stark verändert, und darüber hinaus haben Russlands Expansionsversuche wie der Überfall auf die Ukraine (aber auch die Kriege in Tschetschenien und in Georgien) Ruinen und Trümmerlandschaften hinterlassen. 

Ruinen, Fragmente und Trümmer sind daher Spuren von Ereignissen, die traumatisch oder heroisch kodiert sein können. Sie zu dokumentieren ist eine Form der Erinnerungskultur und berührt auch Identitätsfragen, sie – etwa durch Abriss und Neubau – zu tilgen, zerstört oder manipuliert die Erinnerung. Neben der klassischen Ruinophilie oder Ruinenlust lässt sich dabei seit einiger Zeit eine breite Popularisierung (und auch Kommerzialisierung) eines "Lost Places"-Diskurses beobachten ("ruin gazing", "ruin porn", "detroitism"), welche die eher subkulturelle "Urbex"- oder "Stalker"-Bewegung mittlerweile überlagert hat. Diesen vielfältigen Facetten des Themas wollen wir in unserer Veranstaltung anhand ausgewählter Beispiele nachgehen, wobei verschiedene Medien (Text, Bild, Film) berücksichtigt werden sollen.

Semester: ST 2025