Der Begriff Tourismus ist eng mit der Neuzeit verknüpft und taucht erstmals um 1800 auf. Voraussetzungen waren der technische Ausbau von Infrastruktur und Verkehrswegen, wie auch der Abbau von Ängsten vor den Gefahren der Reise und der Naturgewalten wie Hochgebirge oder Meer. Es entwickelten sich Sehnsuchtsorte wie die Alpen, Italien und Frankreich im Zuge der sog. „Grand Tour“ (außerhalb Russlands), oder der Kaukasus und die Krim (in Russland). 

Bis heute ist Definition und die Abgrenzung zur breiter aufgestellten Reise umstritten und von Stereotypen geprägt: oft ins Spiel gebracht werden Oppositionen wie Konsum vs. Kultur, Oberflächlichkeit vs. Authentizität, Gruppe vs. Individuum. Wie dem auch sei, Tourismus ist ein genuin interdisziplinäres Thema, das Kultur- und Literaturwissenschaft, Ökonomie und Soziologie vereint: „[…] the study of travel, tourism, and leisure includes literary analyses of travel writing, ethnographic explorations of touring practices, economic studies of the tourism and travel industries, sociological survey research, and historical analyses of institutions, practices, and the cultural meanings of tourism and travel.” (Koenker 2003, 657)

Imperialismus kommt immer dann ins Spiel, wenn touristische Routen den kolonialen Spuren folgen. Kolonialismus und Tourismus sind zwei Arten, imperiale Grenzen zu überschreiten oder – im Falle innerer Kolonialisierung – auch nicht zu überschreiten. Tourismus ist immer auch eine Begegnung mit dem Anderen, Fremden, das unter dem Einfluss von durch Reiseliteratur und -ratgeber verbreitete Klischees bewertet und angeeignet wird; ein Thema, das heute aktueller ist denn je.


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