Berufsfelder von ReligionswissenschafterInnen
(In-)Kompetenzen - Zugänge - Perspektiven
Integrationsarbeit
Inhaltsübersicht
1. 1. Begriff Integration [Bearbeiten]
1.1. 1.1 Migration
1.2. 1.2 Integration
1.3. 1.3 Integration und Religion
2. 2. Berufsfeld Integrationsarbeit [Bearbeiten]
2.1. 2.1 Integration in Deutschland
1. Begriff Integration [Bearbeiten]
1.1 Migration
Integration bezeichnet einen Prozess der Mitgliedwerdung in der Gesellschaft(1). In diesem Artikel soll vor allem die Integration von Migranten betrachtet werden. Daher ist es sinnvoll sich zunächst mit Migrationsformen zu befassen. Zunächst sollte hier differenziert werden zwischen freiwilliger und erzwungener Auswanderung. Weiterhin zwischen temporärer und dauerhafter Migration. Zeitweise Migration, bspw. Bildungsmigration mit dem Zeil ein Studium zu absolvieren, oder auch Saisonarbeit, erfordern eher eine partielle Integration in die Aufnahmegesellschaft, während die Integration von Auswandern mit dem Ziel in der neuen Heimat zu bleiben, eines höheren Aufwandes bedarf(2). In diese Kategorie der freiwilligen, permanenten Migranten fallen unter anderem die wichtigsten Migrationsformen, Auswanderung im Rahmen von internationalen Freizügigkeitsabkommen. Zum Beispiel innerhalb der EU mit dem Ziel eine höhere Lebensqualität zu erreichen als im Ursprungsland. Auch Arbeitsmigration ist häufig permanenter Natur. Ein Sonderfall bietet hier die Irreguläre Migration, sprich heimliches, illegales Überqueren der Grenze, mit oder ohne Hilfe von Schleppern. Gerade hier ist die Integrationsarbeit vor ein großes Problem gestellt, da illegale Migranten ohne gültigen Ausweis unter anderem in der Regel nicht Arbeiten dürfen, und auch allgemein schwer zu erfassen und zu erreichen sind, da sie nicht in offiziellen Registern auftauchen. Erzwungene Migration betrifft vor allem Flüchtlinge aus Krisen- oder Kriegsgebieten. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist von den lokalen Asylgesetzen abhängig. In diesem Fall gibt es die Möglichkeiten, das die Betroffenen tatsächlich permanenten Aufenthalt im Aufnahmeland suchen, oder nur solange dort bleiben wollen, bis sich die Lage im Heimatland normalisiert hat. Aber auch in letzterem Fall, ist es durchaus üblich, dass sich dieser Normalisierungsprozess solange hinzieht, dass sich der Wunsch nach permanentem Aufenthalt in der Zielgesellschaft einstellt, und integrative Maßnahmen eine größere Bedeutung und größeren Umfang bekommen (3).
1.2 Integration
Der Begriff Integration, als Prozess der Mitgliedwerdung in einer Gesellschaft, lässt sich in die Unterordnungen der Sozial- sowie der Systemintegration unterteilen. Die Sozialintegration bezieht sich hier auf das Individuum das in die Institutionen und Beziehungen der Aufnahmegesellschaft integriert wird. Dem gegenüber beschreibt die Systemintegration die Konsequenzen von Migration für die „Integration des sozialen Systems Gesamtgesellschaft“(4). Die Sozialintegration lässt sich in vier Integrationsprozesse Aufteilen. Strukturelle Integration bezeichnet den Erwerb von Qualitäten in den Kerninstitutionen der Aufnahmegesellschaft. Sprich Bildungssysteme, Arbeits- und Wohnungsmarkt, sowie soziale Sicherungssysteme etc. Kulturelle Integration beschreibt den Erwerb grundlegender kultureller Kompetenzen in der Aufnahmegesellschaft. Darunter fallen, Werte und Normen, Einstellungen etc. Vor allem aber Spracherwerb, der die Grundlage aller Integrationsprozesse bildet. Kulturelle Integration erfordert trotz Fokus auf Einwanderer, Anpassungen und Veränderungen der Aufnahmegesellschaft. Sie ist also ein wechselseitiger Prozess. Soziale Integration meint die Anbindung an die Aufnahmegesellschaft, zum Beispiel durch Freundschaften, Partnerwahl, aber auch Mitgliedschaft in Vereinen und politische Partizipation. Schließlich beschreibt identifikative Integration die Entstehung neuer Zugehörigkeitsgefühle und die Bereitschaft unter Migranten, sich mit der neuen Gesellschaft zu identifizieren. Diese Subprozesse der Integration stehen in wechselseitiger Kausalbeziehung zu einander, sie sind Ergebnisse anderer Integrationsprozesse. Grundbedingung für die einzelnen Prozesse der Sozialintegration ist die Offenheit der Aufnahmegesellschaft(5). Systemintegration lässt sich vereinfacht als gesellschaftlicher Zusammenhalt bezeichnen, der durch starke Zuwanderung, und die damit verbundenen Aufgaben, herausgefordert werden kann. Interessant sind hier Konfliktpotentiale die entstehen, andererseits auch die Untersuchung von gemeinsamen Werten, als zentraler Aspekt der Systemintegration(6). In einer Definition von Integration ließe sich noch einmal differenzieren zwischen dem Prozess Integration, und dessen Ergebnis Integration als Zustand. Integration als Prozess bezeichnet also den oben beschriebenen Mitgliedschaftserwerb in der Gesellschaft, über die einzeln aufgeführten Integrationsprozesse, sowie die Entwicklung hin zu einer Mitgliedschaft in den Kerninstitutionen der Aufnahmegesellschaft im Sinne der Systemintegration. Essentiell für diesen Prozess ist der Abbau von Grenzen sowohl bei den Migranten als auch in der Gesellschaft des Einwanderungslandes, sodass der Prozess Integration von Wechselseitigkeit geprägt ist, was zu Bildung einer neuen Kultur, in einem dialektischen Prozess führt. Wichtig sind die Motive aus denen die Migranten ihre Heimat verlassen, da diese die Bereitschaft für Integration determinieren, allerdings ist diese Bereitschaft auch von der Offenheit der Aufnahmegesellschaft abhängig(7).
1.3 Integration und Religion
Integration ist in großen Teilen ein kultureller Prozess. Dazugehören der das Erlernen der Lingua Franca der Aufnahmegesellschaft als grundlegende Voraussetzung zur sozialen Interaktion. Weiterhin der Erwerb kultureller Kompetenzen, gemeint ist die Kenntnis der grundlegenden kulturellen Werte und Normen, die sich aus (Geistes-)Geschichte der Aufnahmegesellschaft ergeben. Ein essentieller Bestandteil von Kultur ist Religion. Welche spezifische Rolle kann diese im Prozess der Integration spielen? Wo liegen Herausforderungen und Potentiale? Religion beeinflusst Grenzen innerhalb der Gesellschaft. Allerdings ist Religion als kultureller Faktor von Migranten durchaus nicht statisch sondern unterliegt verschiedenen Transformationsprozessen. Beispiele hierfür sind Ethnisierung und Universalisierung von Religion. Ethnisierung als Prozess hängt mit der bedeutenden Rolle von religiösen Institutionen als ethnischen Gemeinschaften zusammen. In diesen kann Ethnizität als moralischer Schutz, vor der als amoralisch wahrgenommenen Außenwelt bieten. Beispielsweise harmonieren spezielle Geschlechtsmodelle mit religiösen Vorstellungen. Gemeinden können so ethnische Gemeinden werden. Hier bewahrt Religion kulturelle Werte. Darüber hinaus, kommt hierein Kontakt zu Landsleuten zustande, viele religiöse Gemeinden bieten darüber hinaus auch soziale Dienstleistungen (z.B. Wohlfahrt) an. Andererseits beeinflussen ethnische Gemeinden religiöse Praxen. Religiöse Sprache wird zum Medium für die Artikulation und Legitimation kultureller Werte in gesellschaftlich kompatibler Weise. Kulturelle Normen werden so religiöse und bekommen Legitimität im neuen kulturellen Umfeld. Soziale Grenzen werden durch Religion also sowohl gezogen, wie auch verwischt(8). Universalisierung von Religion findet statt wenn keine Identifikation über Ethnie herrscht, und sich das Grenzziehungskriterium von Ethnie auf Religion verschoben hat. Durch Reformierungen reagieren Religionsgemeinschaft auf Legitimationsdruck nach außen. In neuem kulturellen Umfeld herrschen andere Ansichten zu Religiösität (z.B. Bekenntnis vs. Praxis). Ethnische Grenzen werden so verschoben, und Variationen eher toleriert. Durch diese Öffnung können auch andere Ethnien Mitglied in der Religionsgemeinschaft werden. Die Grenzen verschieben sich weg von Ethnie hin zu Religion(9). Konsequenzen für den Integrationsprozess können nun entweder positiv oder negativ sein. Hindernisse werden in der Regel nicht in Religion als Überbegriff gesehen, sondern in spezifischen Religionen. In Deutschland besonders dem Islam. Dies könnte daran liegen, das Muslime im Vergleich zu katholischen oder auch orthodoxen Einwanderern als besonders Fremd wahrgenommen werden, und daher besonders stark Zuschreibungen und Reaktionen der Mehrheitsgesellschaft ausgeliefert sind. Religiöse Gruppen werden so zu einem sicheren Rückzugsort, man grenzt sich symbolisch über die Religion ab. Es kommt zu einer Isolation von der Mehrheitsgesellschaft. Leistungen von Religion könnten zum Beispiel darin bestehen, dass sie im Vergleich zu vielen Veränderungen, dem erlernen einer neuen Sprache, neuen Normen und Werte-Systemen, beibehalten werden kann, da auch die Aufnahmegesellschaft nicht homogen ist. Weiterhin ist es möglich, dass die kulturelle Identität, die über Religion bewahrt wird Integration erleichtert, da sie das Selbstbewusstsein stärkt(10).
2. Berufsfeld Integrationsarbeit [Bearbeiten]
2.1 Integration in Deutschland
Die deutsche Integrationspolitik hat sich seit dem Jahr 2000 maßgeblich verändert. Sowohl verschiedene neue Gesetze als auch die Installation der deutschen Islamkonferenz haben einen Wandel der Integrationspolitik in Deutschland eingeläutet(11). Hauptakteur in diesem Bereich bleiben allerdings Länder und Kommunen. Dies liegt zum einen daran, dass gerade der essentielle Bereich der Bildung, Aufgabe der Bundesländer ist. Andererseits ist die Reaktion auf Migrationsbewegungen von verschiedenen lokalen Faktoren (wie Zahl und Herkunft der Migranten) abhängig, sodass die Länder in der Lage sein müssen individuell nach den jeweilige Erfordernissen zu Handeln. So haben einige Länder Integrationsgesetze verabschiedet. In Nordrhein-Westfalen wurden die Förderstrukturen in Form der Kommunalen Integrationszentren neu organisiert, während zum Beispiel in Hessen das Programm „Modellregion Integration“ ins Leben gerufen wurde. In mehreren Bundesländern wurden spezielle Ministerien für Integration geschaffen(12). Die Stadt als Akteur ist zuständig für Aspekte wie Wohnungspolitik und Stadtteilerneuerungsprogramme, die einen erheblichen Einfluss auf Integration ausüben können. Dies ist jedoch eher ein allgemeiner Faktor,während spezielle Integrationspolitische Aspekte der Stadt zum Beispiel die Schaffung eines Kommunalen Integrationskonzeptes, kulturelle Einstellung der Verwaltung, Interkulturelle und Interreligiöse Beziehungen, sowie politische Partizipation von Migranten einschließt(13). Hieraus ergibt sich ein weites Feld an Betätigungsfelder für Integrationsarbeit auf Kommunaler Ebene. Logisch ergeben sich viele Überschneidungen mit anderen Berufsfeldern wie Bildung, Sozialarbeit oder Flüchtlingshilfe. Hier soll es jedoch eher um die ersten Beiden Punkte der Entwicklung von Integrationskonzepten und kulturellen Einstellung der Verwaltung gehen.
2.2 Beispiel: Kommunales Integrationszentrum
Kommunale Integrationszentren (KI) sind städtische Institutionen, die das Land NRW in jeder Stadt und jedem Landkreis geschaffen hat. Aufgabenbereiche sind sowohl Betreuung und Unterstützung von Migranten, als auch die Konzeption von Projekten, die Integration fördern sollen. Auch Antidiskriminierungsarbeit ist ein Aspekt der hier abgedeckt werden soll. Dies betrifft sowohl Schulen als auch Verwaltungsstellen speziell durch Beratungs- und Qualifizierungsangebote. Beispiele für Projekte sind verschiedene Beratungsmöglichkeiten für Eltern mit Kindern im Schulpflichtigen Alter, die durch das Kommunale Integrationszentrum Bochum angeboten werden(14). Das KI Essen bietet ein Projekt an, das sich speziell an Migranten aus Südosteuropa richtet und deren Integration in den Arbeitsmarkt vereinfacht werden soll(15). Auch die Konzeption und Veranstaltung von Vorträgen ist ein Aufgabenbereich. So fand im Januar 2016 eine Vortragsreihe, in verschiedenen Sprachen, zu Kultursensibler Pflege statt, die vom KI Bochum ausgerichtet wurde(16). Das KI Bielefeld hat ein Projekt entwickelt, das die Kommunikation zwischen Schulen und Eltern mit Migrationshintergrund fördert(17). Eine Kernanforderung für potentielle Bewerber, wie aus Stellenausschreibungen hervorgeht, ist die interkulturelle Kompetenz(18), die logische Voraussetzung für die aktive oder passive Arbeit mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis ist. Grade diese Kompetenz wird durch das Studium der Religionswissenschaft vermittelt. Auch gehört zu der Arbeit der KI der Kontakt mit religiösen Akteuren (z.B. Gemeinden) vor Ort . Gerade auf diesen Bereich wird man durch die Kenntnis verschiedener religiöse Traditionen, die durch das Studium der Religionswissenschaft vermittelt wird gut vorbereitet. Weiter oben wurde bereits der Einfluss, den Religion auf Integration haben kann, diskutiert. Da dieser im positiven wie im negativen nicht zu unterschätzen ist bietet sich die Grundlage der Religionswissenschaft durchaus an. Weiterhin gibt es als Ergänzung zum Grundstudium Religionswissenschaft auch Masterstudiengänge, die sich speziell auf Integrationsarbeit konzentrieren. Als Beispiel sei der Studiengang „Interkulturalität und Integration“ genannt, der von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd angeboten wird (19).
3. Literatur [Bearbeiten]
Elwert, Frederik: Religion als Ressource und Restriktion im Integrationsprozess. Eine Fallstudie zu Biographien freikirchlicher Russlanddeutscher, 2015, Springer Fachmedien Wiesbaden.
Hackmann, Friedrich: Integration von Migranten. Einwanderung und neue Nationenbildng, 2015, Springer Fachmedien Wiesbaden.
4. Belege [Bearbeiten]
Belege: (1) Hackmann, Friedrich: Integration von Migranten. Einwanderung und neue Nationenbildng, 2015, Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 21. (Im folgenden Zitiert als „Hackmann: Integration) (2) Hackmann: Integration, S. 24-25. (3) Hackmann: Integration, S. 25-34. (4) Hackmann: Integration, S. 72. (5) Hackmann: Integration, S.72-73. (6) Hackmann: Integration, S. 73-74. (7) Hackmann: Integration, S. 78-83. (8) Elwert, Frederik: Religion als Ressource und Restriktion im Integrationsprozess. Eine Fallstudie zu Biographien freikirchlicher Russlanddeutscher, 2015, Springer Fachmedien Wiesbaden. 8Im Folgenden zitiert als „Elwert: Religion) (9) Elwert: Religion, S. 62-66. (10) Elwert: Religion, S. 66-76. (11) Hackmann: Integration, S. 247-250. (12) Hackmann: Integration, S. 250-251. (13) Hackmann: Integration, S. 251-255. (14) http://integrationsportal.bochum.de/index.php?menue=alle (Letzter Zugriff: 14.02.2016) (15) https://www.essen.de/rathaus/aemter/ordner_0513/raa/dienststelle/projekt_mia.de.html (Letzter Zugriff 14.02.2016) (16) https://www.bochum.de/C125708500379A31/vwContentByKey/W29NLDEB909BOCMDE#par6 (Letzter Zugriff: 14.02.2016) (17) http://www.ki-bielefeld.de/152-Eltern-Schule-Dialog (Letzter Zugriff: 14.02.2016) (18) http://www.integration-in-bonn.de/startseite/aktuelles/detail/news/stadt-bonn-sucht-verstaerkung-fuer-das-kommunale-integrationszentrum-im-aufgabengebiet-antidiskrimi.html; http://www.lmz-nrw.de/wp-content/uploads/2014/10/StellenAusschr-LehrerInnen-Integrationszentrum-II-.pdf (Beide letzter Zugriff 14.02.2016) (19) http://www.phgmuend.de/deutsch/studium/studiengaenge/ma_interkulturalitaet_und_integration.php?navanchor=1010121 (Letzter Zugriff: 14.02.2016)