Thema 4

 

Radargleichung

Die Radargleichung ist eine der grundlegensten Gleichungen zur Beschreibung von Radarsystemen. Sie ermöglicht die Bestimmung der maximalen Reichweite eines Radarsystems bzw. das fĂŒr eine gewĂŒnschte Reichweite benötigte VerhĂ€ltnis von Sendeleistung zu minimal detektierbarer Leistung am EmpfĂ€nger in AbhĂ€ngigkeit von den Eigenschaften der verwendeten Antenne, der Frequenz, den Reflexionseigenschaften des zu detektierenden Objektes sowie dem Ausbreitungsmedium, in dem das System betrieben wird. Ebenso lĂ€sst sich mit Hilfe der Radargleichung abschĂ€tzen, ob bei einem vorhandenen Radarsystem ein gegebenes Ziel in bekanntem Abstand ein ausreichend stark reflektiertes Signal am EmpfĂ€nger erzeugt.

Da die fĂŒr die Reflexion von elektromagnetischen Wellen relevanten Eigenschaften eines Radarziels u.a. stark von der GrĂ¶ĂŸe eines Objektes abhĂ€ngen, unterscheidet man grundsĂ€tzlich zwischen zwei verschiedenen Varianten der Radargleichung. FĂŒr elektrisch kleine Streukörper, deren Reflexion wiederum als Punktquelle angesehen werden kann, ergibt sich somit eine andere Radargleichung als fĂŒr elektrisch große Volumenziele. Die Unterscheidung zwischen elektrisch großen und elektrisch kleinen Objekten erfolgt anhand der verwendeten WellenlĂ€nge des Radarsystems:

$$ \lambda = \frac{c}{f} $$ (1)

FĂŒr Ziele deren Abmessungen sich im Bereich der WellenlĂ€nge $$ \lambda $$ oder darunter befinden spricht man von elektrisch kleinen Zielen. Andersherum werden Objekte, deren Abmessungen deutlich grĂ¶ĂŸer als $$ \lambda $$ sind, als elektrisch große Objekte bezeichnet, sodass fĂŒr solche Ziele eine andere Variante der Radargleichung zum Einsatz kommt. Nachfolgend sollen nun beide Varianten der Radargleichung ausfĂŒhrlich erklĂ€rt und hergeleitet werden.

Grundlagen zum Abstrahlverhalten von Antennen

Um den Zusammenhang von Sende- und Empfangsleistung herzuleiten, wird zunĂ€chst von einem isotropen Kugelstrahler als Sender ausgegangen, welcher die Leistung $$ P_{\mathrm S} $$ abstrahlt. Da die Leistung in alle Richtungen gleichmĂ€ĂŸig abgestrahlt wird, ergeben sich konzentrisch um den Strahler Kugelschalen gleicher Leistungsdichte, welche mit zunehmenden Abstand $$ R $$ vom Zentrum des Senders auf Grund der Strahldivergenz geringer wird (Abb. 1):

$$ S_{\mathrm i} = \frac{P_{\mathrm S}}{4 \cdot \pi \cdot R^2} $$. (2)

Leistungsdichte

Abb. 1: Strahldivergenz beim isotropen Kugelstrahler [1]

Antennen, welche fĂŒr Radaranwendungen verwendet werden, strahlen die eingespeiste Leistung in der Regel nicht in alle Raumrichtungen ab, sondern bĂŒndeln diese und formen so einen i.d.R. möglichst scharf begrenzten Strahl welcher einen sehr geringen Strahlquerschnitt aufweist und oft als Hauptkeule der Antenne bezeichnet wird. Da die von der Antenne abgestrahlte Leistung so auf einen bedeutend kleineren Raumwinkel konzentriert wird, fĂ€llt die gerichtete Leistungsdichte innerhalb dieses Raumwinkels deutlich grĂ¶ĂŸer aus. Diese VerstĂ€rkung der Leistungsdichte im Vergleich zu einem isotropen Kugelstrahler wird mit Hilfe des Antennengewinns $$ G $$ beschrieben. In Abb. 2 ist beispielsweise ein Richtdiagramm einer Antenne mit hoher Richtwirkung angegeben.

Antennenrichtdiagramm

Abb. 2: Richtdiagramm einer Antenne [2]

Es ist deutlich die Hauptabstrahlrichtung bei $$ \Theta = 0^\circ $$ zu erkennen, in welche die Leistung hautsĂ€chlich abgetrahlt wird. Der Faktor, um welchen die Leistungsdichte in der Hauptabstrahlrichtung der Antenne grĂ¶ĂŸer ist als die eines isotropen Kugelstrahlers wird als Antennengewinn $$ G $$ bezeichnet. Die von einer Antenne abgestrahlte Leistungsdichte ergibt sich so zu:

$$ S_{\mathrm A} = S_{\mathrm i} \cdot G $$. (3)

Radargleichung fĂŒr elektrisch kleine Streukörper

Wie viel Leistung von einem Streukörper reflektiert wird, hĂ€ngt in erster Linie vom Radarquerschnitt $$ \sigma $$ ab, welcher abhĂ€ngig von der GrĂ¶ĂŸe, Form und Beschaffenheit des Objektes ist. Zusammen mit dem Radarquerschnitt ergibt sich die vom Ziel reflektierte Leistung zu:

$$ P_{\mathrm R} = S_{\mathrm A} \cdot \sigma = \frac{P_{\mathrm S}}{4 \cdot \pi \cdot R^2} \cdot G \cdot \sigma $$. (4)

FĂŒr elektrisch kleine Ziele wird die refklektierte Leistung in alle Richtungen zurĂŒck gestreut, womit die Reflexion am Objekt wieder als Kugelwelle bzw. als Punktstrahler betrachtet werden kann. Somit kann die Leistungsdichte am EmpfĂ€nger auf dem gleichen Wege berechnet werden, wie bei einem isotropen Kugelstrahler:

$$ S_{\mathrm E} = \frac{P_{\mathrm R}}{4 \cdot \pi \cdot R^2} $$. (5)

Die Leistung, welche eine Antenne einem vorhandenem Feld, welches durch eine Strahlungsdichte gegeben ist, entnehmen kann, ist abhĂ€ngig von ihrer Apertur sowie der Apertureffizienz. Die Apertur einer Antenne bezeichnet die GrĂ¶ĂŸe bzw. geometrische FlĂ€che einer Antenne. Bei einer Parabolantenne entspricht die Aptertur beispielsweise der ReflektorgrĂ¶ĂŸe, bei einer Hornantenne der GrĂ¶ĂŸe der Öffnung des Hornes. Da jedoch nicht die gesamte FlĂ€che der Antenne dem Feld Leistung entnehmen kann, beschreibt die Aptertureffizienz den Anteil der FlĂ€che, welcher dem Feld effektiv Leistung entnimmt und am Ausgang der Antenne zur VerfĂŒgung stellt. Diese Apertureffizienz ist maßgeblich abhĂ€ngig von der verwendeten WellenlĂ€nge, sowie dem Gewinn und der AntennenflĂ€che selber. Das Produkt von geometrischer AntennenflĂ€che sowie der Apertureffizienz bezeichnet man als AntennenwirkflĂ€che. Sie bezeichnet die elektrisch wirksame FlĂ€che der Antenne und ist gegeben durch:

$$ A_{\mathrm W} = A_{\mathrm geo} \cdot \eta_{\mathrm eff} = \frac{\lambda^2}{4 \cdot \pi} \cdot G $$. (8)

Bei Antennentypen wie beispielsweise Linearantennen (Dipol, Monopol, etc.) wird zur Berechnung ebenfalls die AntennenwirkflĂ€che verwendet, jedoch ist die Betrachtung ĂŒber die geometrische GrĂ¶ĂŸe im Zusammenhang mit der Apertureffizienz eher unĂŒblich. Hier wird die AntennenwirkflĂ€che direkt als Funktion der WellenlĂ€nge und des Gewinns betrachtet. Die Leistung, die eine Antenne nun dem Feld entnimmt und welche damit am EmpfĂ€nger zur VerfĂŒgung steht, ist somit gegeben durch das Produkt der Leistungsdichte $$ S_{\mathrm E} $$ und der AntennenwirkflĂ€che $$ A_{\mathrm W} $$:

$$ P_{\mathrm E} = S_{\mathrm E} \cdot A_{\mathrm W} $$ (7)

Fasst man nun die Gleichungen (4) bis (7) zusammen, erhĂ€lt man fĂŒr die gesamte empfangene Leistung:

$$ P_{\mathrm E} = \frac{P_{\mathrm S} \cdot G^2 \cdot \sigma \cdot \lambda^2}{\left( 4 \cdot \pi \right)^3 \cdot R^4} $$. (8)

Um neben der geometrischen Ausbreitung zusĂ€tzlich noch die DĂ€mpfung durch das Ausbreitungsmedium (i.d.R. Luft) sowie gerĂ€teinterne Verluste zu berĂŒcksichtigen, wird Gleichung (8) um den Faktor $$ \frac{1}{L(f)} $$ erweitert, in welchem diese Verluste zusammengefasst sind:

$$ P_{\mathrm E} = \frac{P_{\mathrm S} \cdot G^2 \cdot \sigma \cdot \lambda^2}{\left( 4 \cdot \pi \right)^3 \cdot R^4} \cdot \frac{1}{L(f)} $$. (9)

Stellt man diese Gleichung nun nach dem Abstand $$ R $$ um, so ergibt sich:

$$ R = \left( \frac{P_{\mathrm S} \cdot G^2 \cdot \sigma \cdot \lambda^2}{\left( 4 \cdot \pi \right)^3 \cdot P_{\mathrm E}} \cdot \frac{1}{L(f)} \right)^\frac{1}{4} $$ (10)

was im Allgemeinen als Radargleichung bekannt ist. Setzt man anstelle der Empfangsleistung $$ P_{\mathrm E} $$ die minimal vom EmpfÀnger detektierbare Leistung ein, erhÀlt man die maximal zu detektierende Entfernung des Radarsystems.

Radargleichung fĂŒr elektrisch große Volumenziele

Anders als bei elektrisch kleinen Streukörpern, kann die Reflexion an großen Volumenzielen nicht selbst wieder als Punktstrahler bzw. als Kugelwelle betrachtet werden. Nachfolgend soll am Beispiel einer unendlich großen Metallwand als Ziel (Abb. 3) die Radargleichung bzw. die Leistungsbilanz fĂŒr den Fall elektrisch großer Volumenziele hergeleitet werden.

Metallwand

Abb. 3: Szenario fĂŒr ein elektrisch großes Ziel

Wird als Ziel eine elektrisch leitfĂ€hige, unendlich große Metallwand betrachtet, so gelten an der Metallwand bestimmte Randbedingungen, welche erfĂŒllt sein mĂŒssen. Dazu zĂ€hlt, dass die Tangentialkomponente des elektrischen Feldes verschwinden muss ($$ \vec{E}_{\mathrm tan} = 0 $$) und somit die einfallende Welle gegenphasig reflektiert wird. Da die reflektierte Welle bis auf eine Phasendrehung von $$ \Delta \phi = 180^\circ $$ und der entgegengesetzten Ausbreitungsrichtung genau der einfallenden Welle entspricht, lĂ€sst sich fĂŒr die Berechnung der am EmpfĂ€nger ankommenden Leistung das Prinzip der Spiegelquelle ansetzen. Demnach kann anstelle der unendlich ausgedehnten Metallwand eine exakt gleiche Quelle in doppeltem Abstand angenommen werden, welche mit einer Phasenverschiebung von $$ \phi = 180^\circ $$ sendet (Abb. 4).

Spiegelungsprinzip

Durch die Wahl der genau doppelten Entfernung sowie der Phasenverschiebung um $$ \phi = 180^\circ $$ ĂŒberlagern sich die Feldkomponenten des eigentlichen Senders und der Spiegelquelle im Abstand $$ R $$ zum ursprĂŒnglichen Sender destruktiv, sodass auch hier die Bedingung $$ \vec{E}_{\mathrm tan} = 0 $$ an der Stelle $$ R $$ gilt, womit wir in der Ebene der Metallwand einen virtuellen Kurzschluss erhalten und somit die Randbedingungen der Metallwand erfĂŒllt sind.

Um nun die am EmpfÀnger ankommende Leistungsdichte zu berechnen, muss lediglich die von der Spiegelquelle abgestrahlte Leistungsdichte in der Entfernung $$ 2 \cdot R $$ berechnet werden. Dies geschieht wieder durch die Betrachtung der Leistungsdichte eines isotropen Kugelstrahlers und der Multiplikation mit dem Antennengewinn:

$$ S_{\mathrm E} = \frac{P_{\mathrm S}}{4 \pi \cdot (2R)^2} \cdot G $$. (11)

Durch Multiplikation mit der AntennenwirkflÀche ergibt sich die vom EmpfÀnger detektierte Leistung:

$$ P_{\mathrm E} = S_{\mathrm E} \cdot A_{\mathrm W} = \frac{P_{\mathrm S} \cdot G \cdot A_{\mathrm W}}{16 \pi \cdot R^2} $$. (12)

FĂŒr eine vergleichbare Darstellung bzw. um die Berechnung der maximal detektierbaren Entfernung zu ermöglichen, ergibt sich fĂŒr Gleichung (12) nach $$ R $$ umgestellt:

$$ R = \sqrt{\frac{P_{\mathrm S} \cdot G \cdot A_{\mathrm W}}{16 \pi \cdot P_{\mathrm E}}} $$. (13)

Schlussfolgerung

Bei Betrachtung der beiden Varianten der Radargleichung ist ersichtlich, dass die GrĂ¶ĂŸe eines Radarziels einen entscheidenen Einfluss auf die reflektierte Leistung hat. Somit fĂ€llt die am EmpfĂ€nger detektierte Leistung fĂŒr elektrisch kleine Ziele in AbhĂ€ngigkeit von der Entfernung proportional zu $$ \frac{1}{R^4} $$ ab, wohingegen die Empfangsleistung fĂŒr elektrisch große Ziele fĂŒr grĂ¶ĂŸere Entfernungen lediglich mt $$ \frac{1}{R^2} $$ abfĂ€llt. Somit lassen sich bei Radarsystemen mit ansonsten identischen Eigenschaften und Kennwerten sowie unter VernachlĂ€ssigung der FreiraumdĂ€mpfung bei elektrisch großen Zielen höhere Reichweiten erzielen als bei elektrisch kleinen Zielen.

Literaturverzeichnis

[1]  http://de.wikipedia.org/wiki/Leistungsdichte

[2]  http://epzilon.org/facharbeit/sendeantenne.shtml