14.1 Das bestimmte Integral
Kapitel 14: Integration
14.1 Das bestimmte Integral
Wie viele andere Probleme aus der Analysis ist auch die Integration ursprĂŒnglich geometrisch motiviert. Um den FlĂ€cheninhalt von durch Kurven begrenzten FlĂ€chenstĂŒcken zu messen, wurde diese FlĂ€che durch einfachere Gebiete approximiert. Daraus entwickelte sich dann der Integralbegriff.
Wie schon bei der Stetigkeit und der Differenzierbarkeit liegt auch diesem neuen Begriff wieder ein GrenzĂŒbergang zugrunde.
Man möchte gerne fĂŒr möglichst viele Funktionen \(f:[a,b]\to \mathbb {R}\) der FlĂ€che zwischen dem Graphen von \(f\) und der \(x\)-Achse einen Wert zuordnen, wobei FlĂ€chenstĂŒcke unterhalb der \(x\)-Achse negativ gewichtet werden. Der Wert der FlĂ€che soll mit \(\int _ a^ b f(x)\, \mathrm{d}x\) bezeichnet werden. Aus anschaulichen GrĂŒnden sollten dabei die folgenden Regeln gelten:
\(\bullet\quad\displaystyle f(x)\equiv c \; \Rightarrow \; \int \limits _ a^ b f(x) \, \mathrm{d}x = c(b-a)\quad\) (RechtecksflÀche)
\(\bullet\quad\displaystyle c\in [a,b] \; \Rightarrow \; \int \limits _ a^ b f(x) \, \mathrm{d}x = \int \limits _ a^ c f(x)\, \mathrm{d}x + \int \limits _ c^ b f(x)\, \mathrm{d}x\)
\(\bullet\quad\displaystyle f( x)\leq g( x) \; \Rightarrow \; \int \limits _ a^ b f(x)\, \mathrm{d}x \leq \int \limits_ a^b g(x) \, \mathrm{d}x\quad\) (Monotonie)
Betrachten wir nun eine ganz beliebige Funktion \(f:[a,b]\to \mathbb {R}\), die auf einem Intervall \([a,b]\) definiert ist.
Um den FlÀcheninhalt zwischen dem Graph von \(f\) und der \(x\)-Achse zu berechnen, gehen wir in zwei Schritten vor:
-
Im ersten Schritt zerlegen wir das Intervall in Teilintervalle und nĂ€hern \(f\) auf den TeilstĂŒcken durch konstante Funktionen an. FĂŒr diese Treppenfunktionen ist das Integral durch RechtecksflĂ€chen darstellbar und erfĂŒllt alle unsere Forderungen von oben.
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Im zweiten Schritt fĂŒhren wir einen GrenzĂŒbergang zu immer schmaleren Rechtecken durch. Dabei wenden wir einen in der Mathematik gelegentlich verwendeten Trick an. Da nicht klar ist, fĂŒr welche Funktionen der GrenzĂŒbergang funktioniert, benutzen wir den GrenzĂŒbergang einfach zur Definition: Die Funktionen, fĂŒr die ein vernĂŒnftiger Grenzwert existiert, nennen wir dann (Riemann-)integrierbar.
Seien \(a < b\) reelle Zahlen. Eine Partition \(P=(x_0,\ldots ,x_ n)\) des Intervalls \([a,b]\) ist eine Unterteilung \(a=x_0< x_1<\ldots < x_n=b\) des Intervalls. Die Feinheit \(\delta _ P\) der Partition ist die LĂ€nge des gröĂten Teilintervalls, also
\(\delta_P=\max_{k=1,\dots,n}(x_k-x_{k-1}).\)
Approximiert man die FlÀche unter dem Graphen von \(f\) mit Hilfe von Rechtecken, so hat man mehrere Möglichkeiten:
-
durch Rechtecke "von unten", d.h. Höhe = kleinster Funktionswert auf \([x_{j-1},x_ j]\))
-
durch Rechtecke "von oben", d.h. Höhe = gröĂter Funktionswert auf \([x_{j-1},x_ j]\))
-
durch "irgendwelche" Rechtecke, d.h. Höhe = irgendein Funktionswert aus \([x_{j-1},x_ j]\))
Bei einigermaĂen "guten" Funktionen sollten alle drei Möglichkeiten im Grenzwert denselben Wert ergeben.
\(Z_P( f)\colon =\sum\limits_{j=1}^n(x_j-x_{j-1})f( \xi_j)\)
Anschaulich ist klar, dass der FlÀcheninhalt umso besser approximiert wird, je schmaler die Intervalle \([x_{j-1},x_ j]\) sind, also je kleiner die Feinheit der Partition ist. Dies motiviert die folgende Definition:
Eine beschrĂ€nkte Funktion \(f:[a,b]\to \mathbb {R}\) heiĂt Riemann-integrierbar, wenn fĂŒr jede Folge von Partitionen des Intervalls \([a,b]\) mit Feinheit \(\delta _ P\to 0\) die Folge der Riemann-Summen \(Z_ P(f)\) konvergiert
Dann definiert man das bestimmte (Riemann-)Integral von \(f\) in \([a,b]\) als
\(\int\limits_a^b f( x)\,\mathrm{d}x:=\int\limits_a^b f\,\mathrm{d}x:=\lim\limits_{\delta_P\to 0}Z_P( f).\)
FĂŒr \(a\)< \(b\) definiert man auĂerdem
\(\displaystyle \int\limits_b^a f( x):=-\int\limits_a^bf( x)\,\mathrm{d}x\) sowie \(\int\limits_a^af( x)\,\mathrm{d}x=0.\)
Es zeigt sich, dass dieses Vorgehen gut funktioniert, es gibt nÀmlich sehr viele Funktionen, die Riemann-integrierbar sind:
- Â jede auf \([a,b]\) stetige Funktion ist Riemann-integrierbar
- Â jede auf \([a,b]\) stĂŒckweise stetige Funktion mit endlich vielen Sprungstellen ist Riemann-integrierbar
- Â jede auf \([a,b]\) monotone Funktion ist Riemann-integrierbar
Eine Funktion zu finden, die nicht Riemann-integrierbar ist, ist also fĂŒr uns relativ schwierig. Insbesondere sind die Funktionen, die uns in konkreten Anwendungen begegnen, eigentlich immer Riemann-integrierbar.