10.4 Rechenregeln für Grenzwerte

Viele Grenzwerte von Folgen kann man dadurch bestimmen, dass man sie auf einige "bekannte" Grenzwerte zurückführt. Dazu dienen die nun folgenden Rechenregeln für Grenzwerte.

Satz:
Seien \((x_ n)_{n\in \mathbb {N}}\) und \((y_ n)_{n\in \mathbb {N}}\) reelle Folgen.

Falls die Grenzwerte \(x=\lim \limits _{n\to \infty } x_ n\) und \(y=\lim \limits _{n\to \infty } y_ n\) beide existieren, gilt:

\(\begin{array}{rcl}(i)&\lim\limits_{n\to\infty}(x_n+y_n)&=(\lim\limits_{n\to\infty}x_n)+(\lim\limits_{n\to\infty}y_n)\\&&\\(ii)&\lim\limits_{n\to\infty}(x_n\cdot y_n)&=(\lim\limits_{n\to\infty}x_n)\cdot(\lim\limits_{n\to\infty}y_n)\\&&\\(iii)&\lim\limits_{n\to\infty}\left(\displaystyle{\displaystyle\frac{x_n}{y_n}}\right)&=\displaystyle\frac{\lim\limits_{n\to\infty}x_n}{\lim\limits_{n\to\infty}y_n},\;\;\text{falls}\;\;\lim\limits_{n\to\infty}y_n\neq 0.\end{array}\)

Begründung: Wir zeigen exemplarisch, wie man sich von der Gültigkeit der Regel (i) überzeugt. Für die anderen Regeln ist die Argumentation ähnlich.

Man betrachtet also zwei Folgen \((x_ n)_{n\in \mathbb {N}}\) mit Grenzwert \(x\) und \((y_ n)_{n\in \mathbb {N}}\) mit Grenzwert \(y\). Zu einem festen \(\varepsilon \) findet man zunächst eine Zahl \(N_1\in \mathbb {N}\), so dass

\(|x_n-x|\leq\displaystyle\frac{\varepsilon}{2}\) für alle \(\;n\geq N_1\)

Weil auch die Folge \((y_ n)_{n\in \mathbb {N}}\) konvergiert, findet man genauso eine Zahl \(N_2\in \mathbb {N}\), so dass

\(|y_n-y|\leq\displaystyle\frac{\varepsilon}{2}\;\) für alle \(\;n\geq N_2\)

Dass wir hier \(\displaystyle\frac {\varepsilon }{2}\) statt dem \(\varepsilon \) aus der ursprünglichen Definition genommen haben, ist kein Problem, da \(|x_ n-x|\) bzw. \(|y_ n-y|\) für große \(n\) kleiner als jede positive Zahl werden.

Nun wählen wir als \(N\) die größere der beiden Zahlen \(N_1\) und \(N_2\). Damit sind für \(n\geq N\) beide Ungleichungen

\(|x_n-x|\leq\displaystyle\frac{\varepsilon}{2}\) und \(|y_n-y|\leq\displaystyle\frac{\varepsilon}{2}\)

gleichzeitig erfüllt. Dann ist aber nach der Dreiecksungleichung

\(\left|(x_n+y_n)-(x+y)\right|\leq|x_n-x|+|y_n-y|<2\cdot\displaystyle\frac{\varepsilon}{2}=\varepsilon\)

für \(n\geq N(\varepsilon )\).
Nach der Definition der Konvergenz ist damit \(x+y\) der Grenzwert der Folge \((x_ n+y_ n)_{n\in \mathbb {N}}\).

Beispiele:
  1. \(\lim \limits _{n\to \infty } \displaystyle\frac {n}{n+1}=\lim \limits _{n\to \infty } (1-\displaystyle\frac {1}{n+1}) = \lim \limits _{n\to \infty } 1 -\lim \limits _{n\to \infty } \displaystyle\frac {1}{n+1}=1-0=1\)

  2. \(\lim \limits _{n\to \infty } (3+\frac{2}{n^3})\displaystyle\frac {(-1)^ n}{2n+5} =\lim \limits _{n\to \infty }(3+\frac{2}{n^3})\cdot \lim \limits _{n\to \infty }\displaystyle\frac {(-1)^ n}{2n+5} = (3+\lim \limits _{n\to \infty } \frac{2}{n^3})\cdot \lim \limits _{n\to \infty } \displaystyle\frac {(-1)^ n}{2n+5}=3\cdot 0=0\)

  3. \(\lim \limits _{n\to \infty } \displaystyle\frac {n+1}{2n-1} = \lim \limits _{n\to \infty } \displaystyle\frac {1+\displaystyle\frac {1}{n}}{2-\displaystyle\frac {1}{n}} = \displaystyle\frac {1+\lim \limits _{n\to \infty }\displaystyle\frac {1}{n}}{2-\lim \limits _{n\to \infty }\displaystyle\frac {1}{n}}= {\displaystyle \displaystyle\frac {1}{2}}\)

Beispiel (Hertzsche Pressung):

PressungWerden zwei starre Kugeln mit der Kraft \(\vec{F}\) gegeneinander gedrückt, dann berühren sie sich im idealisierten Fall nur in einem Punkt. Durch die immer vorhandene Elastizität entsteht aber in der Realität eine Berührungsfläche, auf der in beiden Körpern eine Spannung herrscht. Nach Arbeiten des Physiker Heinrich Hertz ist die Spannung in der Mitte am größten.


Diese Maximalspannung heißt auch Hertzsche Pressung und beträgt für Kugeln vom Radius \(r_1\), \(r_2\) mit Elastizitätsmodul \(E_1\) bzw. \(E_2\)

\(p_{max}=\displaystyle\frac{1}{\pi}\cdot\sqrt[3]{\displaystyle\frac{1,5\cdot FE^2}{r^2(1-{\nu}^2)^2}}\)

wobei \(r = \displaystyle\frac{r_1 r_2}{r_1 + r_2}\), \(E = 2 \displaystyle\frac{E_1 E_2}{E_1 + E_2}\) und \(1-{\nu }^2 = \displaystyle\frac{E}{2} \cdot \left(\displaystyle\frac{1-{\nu }_1^2}{E_1} + \displaystyle\frac{1-{\nu }_2^2}{E_2} \right)\) mit den Poissonzahlen (Querkontraktionszahlen) \(\nu _{1,2}\) der Kugeln zusammenhängt. Die Elastizitätsmoduln sind in der Mechanik ein Maß dafür, wie viel Widerstand ein Material seiner plastischen Verformung entgegensetzt.

Den Fall, dass eine Kugel auf eine Ebene drückt, kann man als Grenzfall \(r_2\to \infty \) (Kugel mit unendlich großem Radius) auffassen. In diesem Fall ist

\(r=\lim\limits_{r_2\to\infty}\displaystyle\frac{r_1r_2}{r_1+r_2}=r_1\lim\limits_{r_2\to\infty}\displaystyle\frac{r_2}{r_2(\frac{r_1}{r_2}+1)}=r_1.\)

Modifié le: samedi 26 janvier 2019, 08:38