Die Instrumentalisierung des christlichen Glaubens halte ich für nicht vertretbar. Die religiöse Aufladung der Konflikte geht weit über das hinaus, was Luther in seinem Konzept eines gerechten Krieges berücksichtigt hat. Diese Kriege beschränken sich nicht auf Verteidigung, sondern werden oft als gottgewollt oder als Wiederherstellung einer göttlichen Ordnung interpretiert. Damit überschreiten sie in meinen Augen Luthers Prinzipien der individuellen Gewissensprüfung und der Begrenzung von Gewalt auf notwendige Verteidigung.
Während Luther Krieg nur in Ausnahmefällen und als letzte Notwendigkeit rechtfertigte, neigte der Nationalprotestantismus dazu, nationale Interessen mit göttlichem Willen gleichzusetzen.
Die religiöse Aufladung der Befreiungskriege und die spätere Entwicklung des Nationalprotestantismus stellen meiner Meinung nach eine klare Instrumentalisierung von Religion für politische und nationale Zwecke dar. Sie entfernten sich deutlich von Luthers ursprünglicher Lehre, indem sie die Rechtfertigung von Kriegen ausweiteten und die individuelle Gewissensprüfung vernachlässigten. Luther selbst hätte den Nationalprotestantismus und die religiöse Glorifizierung von Kriegen vermutlich scharf kritisiert, da sie seiner Vorstellung eines ausschließlich defensiven und gerechten Krieges widersprachen.