Ernst Blochs 1935 erschienenes Buch Erbschaft dieser Zeit versammelt kurze, oft aphoristische Texte, die in den letzten Jahren der Weimarer Republik und während des Aufstiegs des Nationalsozialismus entstanden sind. Der Philosoph Bloch verfolgt in ihnen das Ziel, die bürgerliche Kultur im Moment ihres Zusammenbruchs zu untersuchen: Wo hat sie dem Faschismus den Weg bereitet – und welche ihrer Elemente lassen sich dennoch für den antifaschistischen Kampf fruchtbar machen? Auf diese Weise legt Bloch eine „Erbschaft“ seiner Gegenwart an, sammelt Bruchstücke und Reste auf, die für andere, zukünftige Zeiten bewahrt werden sollen.
Im Zentrum von Blochs Kulturkritik stehen ästhetische Phänomene und künstlerische Verfahren. Damit greift das oft rätselhafte, selbst poetische Buch in die insbesondere auf der politischen Linken leidenschaftlich geführten Debatten um Politik und Ästhetik der 1930er Jahre ein. Diskutiert wurde etwa, ob sich der Faschismus allein aus Wirtschaftskrise und Klassenkampf erklären lasse, oder ob auch kulturelle Faktoren berücksichtigt werden müssten. Ebenso stritt man über den Gegensatz zwischen (bürgerlichem) Expressionismus und (sozialistischem) Realismus, wie ihn etwa der kommunistische Literaturtheoretiker Georg Lukács formulierte, oder über die Frage, wie die Kunst politisiert werden müsste, wie es der Essayist Walter Benjamin forderte, um der von ihm konstatierten faschistischen Ästhetisierung der Politik etwas entgegenzusetzen.
Vor dem Hintergrund aktueller Umbrüche lesen wir Blochs Buch gemeinsam und rekonstruieren die damaligen Debatten um Ästhetik und Politik, um von ihnen ausgehend auf unsere Gegenwart zu blicken.
Zur vorbereitenden Lektüre wird empfohlen: Dietschy, Beat, „Ungleichzeitigkeit, Gleichzeitigkeit, Übergleichzeitigkeit“, in: Ders. / Zeilinger, Doris / Zimmermann, Rainer E. (Hg.), Bloch-Wörterbuch. Leitbegriff der Philosophie Ernst Blochs, Berlin / Boston 2012, S. 589–633.
Die Seminarmaterialien werden rechtzeitig im Moodle-Kurs zum Seminar zur Verfügung gestellt
- Kursleiter/in: Morten Paul