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Der Literatur- und Medienwissenschaftler Friedrich Kittler prägte mit dem Begriff des „Aufschreibesystems“ ein Modell, um tiefgreifende literaturgeschichtliche Zäsuren zu markieren. Er unterschied zwei zentrale Wendepunkte in der Literatur: Zum einen die Epochenschwelle um 1800, die geprägt war durch Alphabetisierung, Bildungsexpansion und die damit verbundene Ausweitung schriftlicher Kultur. Zum anderen die medientechnische Zäsur um 1900, die mit der Einführung neuer Speichermedien – Grammophon, Film, Typewriter – ein völlig verändertes Regime des Schreibens und Aufzeichnens etablierte. Aufschreibesysteme bezeichnen dabei nicht nur technische Medien, sondern auch die ihnen zugehörigen Codes, Diskurse und Machtverhältnisse. Sie definieren, was gesagt, gespeichert und gehört werden kann. Die Vorlesung nimmt Kittlers Theorie als Ausgangspunkt, um die Transformationen literarischer Kommunikation bis in die digitale Gegenwart zu verfolgen. Im Zentrum steht die Frage, wie sich Lese- und Schreibpraktiken unter dem Einfluss des Computers und digitaler Netzwerke verändert haben. Was bedeutet es, wenn Literatur zunehmend in ein System gerät, das nicht mehr auf Autorschaft und Veröffentlichung, sondern auf algorithmisch getaktete Reaktionen, Affekte und Aufmerksamkeit setzt? In diesem Zusammenhang setzen wir uns mit dem Begriff der „Reaktionsmaschine“ auseinander, den Thomas Melle in seiner autofiktionalen Erzählung Die Welt im Rücken“ geprägt hat. Melle beschreibt ein Netzwerk aus technischen Medien, Plattformen, Affektsteuerungen und symbolischen Ordnungen, das sowohl literarische Ausdrucksformen als auch die Zirkulation von Nachrichten prägt. Literatur erscheint dabei als Ergebnis eines dynamischen Zusammenspiels von Menschen, Maschinen und medialen Infrastrukturen. Die Vorlesung behandelt unter anderem Texte von Thomas Melle, Stefanie Sargnagel, Enis Maci, Sibylle Berg, Ianina Ilitcheva und Elfriede Jelinek.

Die Vorlesung wird im Online-Format durchgeführt. Die jeweiligen Aufzeichnungen werden wöchentlich am Mittwoch auf Moodle bereitgestellt. Die Prüfung erfolgt in Form eines Abschlusstests.

Semester: WiSe 2025/26
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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