Die erzählten Welten der biblischen Schriften setzen ein Handeln und Wirken göttlicher Wesen voraus. Diesen mythischen Sinnhorizont teilen sie mit weiten Teilen der antiken Literatur. In Anbetracht eines aufgeklärten und empirisch geprägten Weltverstehens stellt sich somit die Frage, ob auch die Darstellung des Gottes Israels lediglich als naiv einzustufen ist oder ob es sich dabei lediglich um „einen interventionistischen Willkürgott wie aus dem Alten Testament“ (Evelin Finger, ZEIT 27/52) handelt. Das
Kolloquium rollt diese drängende Frage von der Seite einer konsequenten narratologischen Analyse der Texte der Hebräischen Bibel und des Alten Testaments auf. Dabei ist Gott zunächst eine weitere anthropomorphe Figur, deren Charakterisierung analysiert werden kann. Eine solche Analyse zeigt kein monolithisches Bild, sondern einen Facettenreichtum, der sich zwischen unterschiedlichen Texten und Büchern, aber auch im Gang der Literaturgeschichte nachweisen lässt. Gleichzeitig wenden sich narratologische Zugänge den biblischen Schriften als Texten zu, deren erzählten Welten zwischen Faktualität und Fiktionalität changieren. In diesem Rahmen kann ihr theologisches Mitteilungsverhältnis auch in der Gegenwart als produktiver und komplexer beurteilt werden.
- Kursleiter/in: Alessandro Casagrande
- Kursleiter/in: Christian Frevel