Herkömmlich betrachtet umfassen Institutionen klassische Einrichtungen des Rechts, der Regierung, der Religion und andere dauerhafte gesellschaftliche Instanzen, die darauf abzielen, das Handeln der Menschen zu leiten. Das Seminar legt den Schwerpunkt darauf, die komplexe Verbindung der deutschsprachigen Literatur zu modernen Institutionen zu beleuchten. Die Trias aus Subjekt-Literatur-Institution tritt um 1900 in ein neues Verhältnis ein, wobei der Begriff „Institutionenroman“ (R. Campe) prägnant eine neuartige Rolle der Literatur veranschaulicht. In Institutionenromanen steht nicht das klassische Bild des Helden im Mittelpunkt, wie es im Bildungsroman üblich ist – nämlich die Geschichte davon, wie Helden das Leben meistern. Vielmehr erzählen die Romane davon, wie Institutionen das Leben der Protagonisten gestalten und prägen. Im Mittelpunkt des Seminars stehen Franz Kafka und Karl Kraus, zwei Autoren, die auf unterschiedliche Weise die Beziehung zwischen Individuen und Institutionen beleuchten. In Kafkas Werken finden sich die Figuren oft schutzlos der Macht von Institutionen ausgeliefert. Dabei wird deutlich, dass eine Institution nicht bloß als ein Schloss, ein Gericht oder eine Kajüte existiert, sondern vielmehr verschiedene Institutionen ein subtil gewebtes Netz zwischen den Menschen bilden und bereits in den zwischenmenschlichen Beziehungen verankert sind. Im Gegensatz dazu führt Karl Kraus einen unerbittlichen Kampf gegen die Institutionen. Seine Werke zeichnen das Bild von außerinstitutionellen Schauplätzen (Tribunale, Hetzschwärme etc.), auf denen eine scharfe Kritik gegenüber den bestehenden Institutionen formuliert wird.
Das Seminar findet hauptsächlich vom 21. bis zum 24. Mai 2024 als Blockveranstaltung statt. Bitte beachten Sie, dass während der gesamten Dauer des Blocks und den Vorbesprechungen Anwesenheitspflicht besteht. Das Seminar erfordert eine umfangreiche Lektüre, um die theoretischen Konzepte und Beispiele zu diskutieren.
- Kursleiter/in: Rupert Gaderer
- Kursleiter/in: Lisa Marie Hulß