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„Die Hysterikerin, die mit ihrem Körper in der Vergangenheit lebt, die ihn in ein Theater für vergessene Szenen verwandelt, ist Zeugin einer verlorenen Kindheit, die im Leiden überlebt“ - mit diesen Worten beschrieb die französische Schriftstellerin und Feministin Catherine Clément den hysterischen Zustand der Frau. Indem sie auf die Verflechtung von weiblichem Körper, Vergangenheit und Theater hinweist, bringt sie die Problematik des Seminars auf den Punkt. Einerseits wird versucht, sich der Historie der Hysterie als kultureller Konstruktion anzunähern, die vom antiken Corpus Hippocraticum bis zur Freudschen Psychoanalyse dazu diente, die Frau als rätselhaftes, irrationales und unerforschtes Terrain zu beschreiben, ihre sexuelle Andersartigkeit als „wissenschaftliches Faktum“ zu etablieren und als Forschungsobjekt zu fixieren. Zwar wurde die „männliche Hysterie“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts anerkannt, doch wurde sie weiterhin mit der „Verweiblichung“ der Arbeitermassen oder der „Scheinheiligkeit“ und „Schwäche“ der unter dem shell shock leidenden Soldaten in Verbindung gebracht. Andererseits wird im Seminar gezeigt, dass die Verweigerung der Frau, in der Gegenwart zu leben, die sich in der ausgedehnten Zeitlichkeit des hysterischen Anfalls manifestiert, als Widerstand gegen gesellschaftliche Normen und Kodierungen gelesen werden kann.

Gerade Philosophinnen, Künstlerinnen, Film- und Theatermacherinnen, Schauspielerinnen und Performerinnen haben seit den 1970er Jahren die revolutionäre Kraft der Hysterikerin als widerständige Figur aus dem Bereich des Imaginären entdeckt und immer wieder neu - in veränderten gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen - interpretiert. Sie haben gezeigt, dass die Präsenz der Hysterikerin an den Rändern der Kultur zu verorten ist und dass der Körper eine eigene Sprache spricht, die sich nicht auf das verbal Artikulierte reduzieren lässt. Die dem Körper innewohnende Theatralik der flüchtigen Symptome ermöglicht eine Umdeutung der Hysterie, die sich gegen die patriarchale Ordnung richtet. Im Seminar soll untersucht werden, wie sich dieses Spektakel der Weiblichkeit in der normierten Diskursrealität und in den kulturellen Grenzbereichen abspielte. Aus dieser Perspektive werden u.a. Texte von Jean-Martin Charcot, Sigmund Freud, Michel Foucault und Georges Didi-Huberman, Hélène Cixous, Catherine Clément, Regina Schaps und Elisabeth Bronfen gelesen sowie zeitgenössische Filme, Inszenierungen und Performances betrachtet, in denen Szenen der Hysterie als körperlich vermittelbares Widerstandstheater begriffen werden.

Inhaltswarnung:

In dem Seminar werden wir uns mit sensiblen Inhalten wie Sexualität, Tod, Trauma auseinandersetzen. Ich möchte Sie daher bitten, sich darauf vorzubereiten, dass Sie in den einzelnen Sitzungen mit diesen Themen sowohl auf textlicher als auch auf visueller Ebene konfrontiert werden. Ein bewusster Umgang mit potentiell belastenden Lehrinhalten ermöglicht uns allen eine emotionale Distanzierung und damit ein konzentriertes wissenschaftliches Arbeiten. 

Das Seminar richtet sich an fortgeschrittene BA-Studierende (ab dem 4. Semester, nach den abgeschlossenen propädeutischen Modulen) und an alle MA-Studierende.

Beginn der 1. Sitzung: 17.04.2024, 10 Uhr


Anforderungen für:

-TN: aktive Teilnahme und Expertise/Lesekarte

-LN: Hausarbeit oder mündliche Prüfung


Semester: SoSe 2024
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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