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Französische Heldenepen um Karl den Großen, seinen Neffen Roland und um den Kämpfer Willehalm (frz. Guillaume) gehörten während des Mittelalters in der gesamten Romania zu den beliebtesten Erzählstoffen überhaupt. An die 100 Chansons de geste, wie man diese Art von Heroik nennt, sind allein in französischer Sprache überliefert. Im deutschen Sprachraum ist die französische Heldenepik, trotz ihrer narrativen Qualitäten, dagegen zunächst auf keine ähnlich große Resonanz gestoßen wie z.B. der ebenfalls aus Frankreich kommende Artusroman. Rezipiert wurde sie lediglich in kleinen Ausschnitten, von denen das Rolandslied des Pfaffen Konrad und Wolframs Willehalm die einzig erwähnenswerten sind – etwa so ließ sich bis vor wenigen Jahren der Tenor der einschlägigen germanistischen Forschung zusammenfassen. Wenn dem wirklich so wäre, wäre die Vorlesung freilich rasch beendet oder würde ein ganzes Semester lang um immer die gleichen Texte kreisen.

Doch es gibt eine ganze Reihe, allerdings meist kaum bekannter, deutschsprachiger Chanson de geste-Bearbeitungen, die zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert ins Deutsche übersetzt wurden und zu den interessantesten mittelalterlichen Texten überhaupt gehören. In einem von ihnen räumt etwa Rennewart, eine bereits aus Wolframs Willehalm bekannte riesenhafte Gestalt, in Obelix-Manier unter den Mönchen eines Klosters auf, in einem anderen verliebt sich der junge Karl in die Tochter eines spanischen Heidenkönigs, der ihm Asyl gewährt hatte, und flieht mit der schönen Prinzessin in einem gefahrvollen Unternehmen nach Frankreich, wo er sie – selbstverständlich nach der Taufe – zu seiner Königin macht, in einem dritten begegnen uns ein Zauberer und ein Wunderpferd, das auch mit vier Reitern auf dem Rücken noch schneller rennt als jedes andere Ross, wieder andere Texte sollen von einer Frau verfasst sein, die damit zu den frühesten deutschen Autorinnen überhaupt gehören würde. Neben der Präsentation und Interpretation dieser und anderer Texte wird es in der Vorlesung auch darum gehen zu überlegen, wie jener ‚blinde Fleck‘ der Forschung zustande kommen konnte, der bewirkte, dass die deutschen Chanson de geste-Adaptationen lange ein weitestgehend unbeachtetes Dasein am Rande der Forschungsinteressen und -aktivitäten fristen mussten.


Semester: WiSe 2024/25
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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