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Minnesang ist ein faszinierendes Phänomen der europäischen Liebesdichtung im Mittelalter. Er entsteht um 1160 als Liedkunst, die im öffentlichen Vortrag lebt und für höfische Rezipienten gemacht ist. Dabei entdeckt diese Lyrik nicht nur die Liebe als starkes Gefühl und als intersubjektive Beziehung, sondern die Texte entfalten auch eine neue Sprache der sinnlichen Erfahrung von Liebe ebenso wie ihrer gedanklichen Reflexion. Um 1170 setzt dann im Umkreis des staufischen Kaiserhofes die Rezeption der romanischen Lyrik der Troubadours und Trouvères ein. Mit diesem entscheidenden Rezeptionsvorgang etabliert sich in der deutschen Literatur das europäische Thema der hohen Minne, die, anders als oft gesagt, kein in sich geschlossenes ‚Denksystem‘, sondern eine Liebeskonzeption mit vielfältigen Anreizen für immer neue Gestaltungen ist. Aus diesen Anfängen formiert sich seit 1190 ein Diskurs über die höfische Liebe, der bei Autoren wie Reinmar, Heinrich von Morungen und Walther von der Vogelweide sogar Züge einer literarisierten ‚Dichterfehde‘ annimmt. Und dieser Liebesdiskurs bricht auch in den Jahrzehnten danach nicht ab, wobei die höfische Liebe – etwa in den Liedern Neidharts oder beim Tannhäuser – nun auch parodistisch und satirisch verfremdet wird. Für die Wandlungsfähigkeit dieses ‚Spiels der Liebe‘ ist nicht weniger bezeichnend, dass der Minnesang im 13./14. Jahrhundert einen einschneidenden Funktions- und Medienwechsel übersteht, nämlich die Ablösung vom Liedvortrag und die schriftliche Aufzeichnung in berühmten Sammelhandschriften wie den Carmina Burana und dem Codex Manesse.

Die Vorlesung wird den deutschen Minnesang im Kontext der europäischen Liebeslyrik des Mittelalters vorstellen. Der Fokus soll dabei sowohl auf der Liebe als Thema als auch auf der Sprache der Liebe liegen, wie sie sich, eingebunden in weltliche und geistliche Diskurse, seit dem 12. Jahrhundert entwickelt. In Überblicken und Beispielanalysen möchte ich so Konzepte der Liebe und ihre sprachliche Gestaltung, doch auch Fragen der Funktionalität von Literatur, der Performanz und des Medienwechsels fundiert darstellen. – Zur ersten Einführung: Beate Kellner: Spiel der Liebe im Minnesang. 2018, S. 11-42.


Semester: WT 2024/25
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