Wöchentliche (bzw. zweiwöchentliche Doppel-)Sitzungen, begleitet durch einen Moodle-Kurs
Die psychiatrische Anstalt des 19. und 20. Jahrhunderts bevölkert sowohl in rein fiktionalisierten als auch in durch reale Institutionen inspirierten Werken die Literatur. Die Klinik als Ort steriler Kälte und Entmenschlichung kommt dabei genauso oft vor wie die Vorstellung eines heruntergekommenen viktorianischen Herrenhauses voller gequälter Seelen und Gespenster. Thematisiert werden u.a. die Angst vor dem Unbekannten und die Hilflosigkeit der Insassen, überholte Therapiemethoden und der scheinbar unvermeidliche Konflikt zwischen Kranken und Pflegern. Eindringliche Geschichten über Korruption, Misshandlung und Folter stehen solchen über Heilung, Fortschritt und Befreiung gegenüber.
Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Anstalt als Ort außerhalb der ›normalen‹ Gesellschaft gelegt. Für Foucault ist die psychiatrische Klinik ein Paradebeispiel für die Heterotopie: ein Ort, dessen veränderte Raum-und Zeitstrukturen ihn als ›anders‹ markieren, der nach eigenen Regeln funktioniert und dabei sowohl als Spiegel als auch Gegenbild oder Negation der herrschenden Verhältnisse fungiert. Betroffen sind dabei vor allem die Patienten, die nicht nur durch festgelegte Rituale – nämlich die Erklärung zum Kranken oder Gesunden – die Schwelle der Anstalt überschreiten dürfen, sondern auch durch weitere soziale Stigmata gezeichnet werden.
Nach einer kurzen Einführung in die Psychiatriegeschichte und die Literatur über solche Krankenanstalten sollen in 14-tägigen Doppelsitzungen komplette Romane zum Thema besprochen werden (z.B. Kesey: "One Flew over the Cuckoos's Nest" (1962); Plath: "The Bell Jar" (1963); Coelho: "Veronika beschließt zu sterben" (1998); Self: "Umbrella" (2012)). Zu den einzelnen Sitzungen und Texten sind jeweils Lesekarten anzufertigen. Es werden insgesamt fünf Romane behandelt, die endgültige Auswahl der besprochenen Texte findet in Absprache mit den Teilnehmenden über den Moodle-Kurs statt.
- Kursleiter/in: Anna-Lena Rehmer