Einschreibeoptionen

Kurzerzählungen haben in der Literatur des Mittelalters eine eigene Geschichte, die von der frühen Entstehung kleiner narrativer Texte im hohen Mittelalter bis zur Novellistik der Frühen Neuzeit reicht. Lehrhafte Beispielerzählungen treten schon früh – um 1150 – als Exempel, Fabeln, Historien und Legenden im Kontext großepischer Werke wie der Kaiserchronik auf. Im 13. Jahrhundert entwickeln sich dann neue Gattungen der novellistischen Kurzerzählung (Mären, Schwänke, Novellen) zu höchst vielfältigen und ästhetisch reizvollen Erzählformen, wie sie das Mittelalter sonst kaum kennt. In ihnen partizipiert das Erzählen in deutscher Sprache nun an berühmten Erzählstoffen und Erzählmotiven der Weltliteratur (z.B. die drei Wünsche, das gegessene Herz, der Widerspenstigen Zähmung). Und aus diesem Stoff- und Motivvorrat gewinnen die Kurznarrative ihre bekannten und immer wieder neu erzählten Themen und Sujets: List und Betrug, Rache und Gewalt, Treue und Freundschaft, ebenso wie Satire, Scherz und Witz. Seit dem späten Mittelalter profilieren sich diese Kurzerzählungen als experimentelle Erzählliteratur, deren Entwicklung eng mit den Namen bekannter Autoren verbunden ist (z.B. Stricker, Heinrich Kaufringer). Ihr besonderer Reiz liegt jedoch nicht nur in der Wandlungsfähigkeit der Themen und Erzählformen, die sich über Jahrhunderte behaupten können; vielmehr erreichen die Kurzerzählungen auch in den handschriftlich und gedruckt verbreiteten Sammlungen und Zyklen des 16. Jahrhunderts literarische Wirkung.

 Vorgestellt wird in der Vorlesung die Geschichte der mittelalterlichen Kurzerzählung von den Anfängen bis in die Frühe Neuzeit. Dabei geht es nicht zuletzt um den europäischen Kontext der deutschen Literatur (z.B. Boccaccio Dekameron, Chaucer Canterbury Tales) sowie um das Sammeln der Texte in der Zeit des Medienumbruchs von der Handschrift zum Druck. Das Ziel ist, den Hörer*innen einen fundierten gattungsgeschichtlichen Einblick in die Aspekte des Kurzerzählens zu geben.

 Zur ersten Einführung: S. Plotke/S. Seeber: Ko- und Kontexte. Kurzerzählungen zwischen Handschrift und Druck, in: dies. (Hgg.): Schwanksammlungen im frühneuzeitlichen Medienumbruch. Transformationen eines sequentiellen Erzählparadigmas, Heiderlberg 2019, S. 3-12. Grundlegende Forschungsliteratur stelle ich den Hörer*innen in einem Moodle-Kurs zur Verfügung.

 TN: Regelmäßige Teilnahme und bestandener Abschlusstest.


Semester: SoSe 2024
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)