• Was macht eine gute Betreuer-Kind Beziehung aus?

      Dieser Baustein zeigt auf, warum eine gute Kommunikation zwischen der pädagogischen Kraft und dem Kind wichtig ist und wie Sie die Entwicklung des Kindes positiv beeinflusst. Es wird dargestellt, aus welchen Teilen die Interaktion besteht und welche Schwierigkeiten dabei insbesondere in Brückenprojekten auftreten können. Wir orientieren uns dabei an den sogenannten CLASS (Classroom Assessment Scoring System)-Dimensionen, welche die Erfahrungen erfassen soll, die das Kind im Lernkontext macht, was es erlebt und die Ressourcen, die den Kindern zuteilwerden.  Des Weiteren betrachten wir die besonderen Herausforderungen und Schwerpunkte, die Brückenprojekte in der Interaktionsqualität bilden.


      Wieso ist eine gute Betreuer-Kind Interaktion wichtig?

      Verschiedene Umgangsweisen können in unterschiedlichen Kontexten angemessen oder falsch sein. So kann z.B. ein Kind ein anderes Kind anschreien, um sein Spielzeug zurückzubekommen, anstatt es zu schlagen. Es reagiert sozial angemessen. Einen Erwachsenen oder eine pädagogische Kraft anzuschreien, ist jedoch unangemessen. Kinder müssen lernen, in welchem Kontext ihre Reaktionen angemessen sind und in welchen nicht. Hierbei orientieren sie sich an den pädagogischen Kräften und den Interaktionen mit ihnen.

      Die Interaktionen sollten deswegen angemessen und verstärkend ablaufen und die Beziehung zwischen der pädagogischen Kraft und dem Kind stärken. So lernen Kinder auch den Umgang untereinander und entwickeln Konflikt- und Problemlösefertigkeiten, während sie z.B. miteinander spielen. Dabei können sie von den pädagogischen Kräften durch das Schaffen einer anregenden Lernumgebung und einem positiven Klima unterstützt werden.

      Interaktionen finden überall im Alltag statt. So stabilisieren schon freundliche Begrüßungen am Morgen die Beziehung zwischen pädagogischer Kraft und Kind. Wenn die pädagogische Arbeit angemessenen Umgang mit dem Kind und lernanregende Kommunikation beinhaltet, beeinflusst sie die kindliche Entwicklung positiv. Dabei ist es wichtig, sich am Entwicklungsstand der Kinder zu orientieren, also auf ihre Bedürfnisse, Fertigkeiten und Interessen direkt einzugehen. So lernen sie bei einer guten pädagogischen Arbeit z.B. schneller und mehr Wörter und entwickeln bessere Lesefähigkeiten. Je früher die Kinder einen guten Umgang im pädagogischen Angebot erfahren, desto stärker wirkt sich dies positiv auf ihre Entwicklung aus.

      Eine gute Beziehung und Kommunikation zwischen dem Kind und der pädagogischen Kraft unterstützt die geistigen, zwischenmenschlichen und emotionalen Fertigkeiten des Kindes. Es erleichtert dem Kind, im späteren Lebensverlauf zurecht zu kommen und sein Leben und mögliche Herausforderungen zu bewältigen.

      Eine gute soziale Unterstützung und Aufnahme helfen den Kindern, sich besser zurechtzufinden. Kinder, die angeleitet werden, kontinuierlich beschäftigt sind und Schutz erfahren, fühlen sich sicherer und zeigen selbst weniger Verhaltensauffälligkeiten (Beispiele s. Bausteine Rituale und Regeln).  

      Zudem helfen gute Interaktionen auch gleichzeitig der pädagogischen Kraft, Verhaltensauffälligkeiten besser zu erkennen und diesen zu begegnen. Durch z.B. eine offene Körperhaltung und aktives Zuhören verbessert sich die Beziehung zwischen der pädagogischen Kraft und dem Kind. Das Kind lernt dieser zu vertrauen und die pädagogische Kraft kann dieses besser einschätzen.

      Eine gute Betreuer-Kind Interaktion ist also wichtig, um das Kind bei seiner Entwicklung zu unterstützen. Dabei kann es helfen, wenn die Anzahl der pädagogischen Kräfte im Vergleich zu den Kindern möglichst hoch ist. Dadurch können sich die pädagogischen Kräfte intensiver mit den einzelnen Kindern beschäftigen und  sich auf ihre Interaktion mit diesen konzentrieren. Pädagogische Kräfte unterstützen die Entwicklung des Kindes und dessen Interesse und Neugier durch z.B. motivierendes und anregendes Verhalten. Die Kinder zeigen mehr Eigeninitiative und probieren mehr aus.

      Fazit: Eine gute Betreuer-Kind Interaktion unterstützt…



      Dimensionen der Interaktion - Beurteilungskriterien

      Die Qualität der Betreuer-Kind Interaktion lässt sich anhand der sogenannten CLASS-Dimensionen beurteilen. Diese wurden so erstellt, dass sie die Erfahrungen und Erlebnisse des „durchschnittlichen Kindes“ im Betreuungskontext erfassen und darstellen. Sie können genutzt werden, um zu reflektieren, wo die eigenen Stärken bezüglich der Interaktion mit den Kindern liegen. Laut CLASS besteht die Interaktionsqualität aus drei Hauptfaktoren: der Emotionalen Unterstützung, der Organisation der Kompetenzentwicklung und der Unterstützung des Denkens und Sprechens. Diese spalten sich wiederum jeweils in 3-4 Unterkategorien auf und werden im Folgenden weiter erläutert. 

      1. positives Klima 
      Das positive Klima beinhaltet eine gute Beziehung zwischen der pädagogischen Kraft und den Kindern, die positiven Emotionen, die diese ausdrücken sowie eine positive Kommunikation und einen respektvollen Umgang. Räumliche Nähe zum und die Unterstützung des Kindes verstärken das positive Klima. Im Projekt lässt sich beobachten, ob sich die Kinder untereinander unterstützen und die Stimmung gut ist. Werden Gefühle (auch die eigenen) angemessen gezeigt und finden gemeinschaftliche Gespräche statt?

      2. Negatives Klima
      Das negative Klima beschreibt die Stärke, in der das Kind oder die pädagogische Kraft negativ reagieren. Dies verschlechtert die Beziehung und Interaktion zwischen pädagogischer Kraft und Kind. Werden viele negative Emotionen gezeigt? Werden Sarkasmus oder bestrafende Maßnahmen (als Kontrollübernahme) verwendet? Behandeln sich pädagogische Kraft und/oder Kind respektlos?
      Um ein negatives Klima zu vermeiden, empfiehlt es sich, diese Faktoren gering zu halten.


      3. Sensitivität der Fachkraft
      Die pädagogische Kraft gilt dann als sensibel, wenn er/sie sich seiner/ihrer Verantwortung bewusst ist und diese für das Kind übernimmt. Dazu kann man sich reflektiv fragen: Achte ich auf die emotionalen und geistigen Bedürfnisse des Kindes? Befasse ich mich mit seinen individuellen Bedürfnissen und übernehme ich Verantwortung? Nehme ich das Kind ernst?
      Je sensibler die pädagogische Kraft, desto sicherer und geborgener fühlt sich das Kind.

      4. Perspektivübernahme

      Eine erfolgreiche Perspektivübernahme bedeutet, dass sich die Interaktionen der pädagogischen Kraft auf die Interessen, die Motivation und die Sichtweisen des Kindes beziehen und diese verstärken. Reagiere ich auf das Kind flexibel? Fokussiere ich mich auf dieses und unterstütze es bei seinen Aufgaben? Wird die Selbstständigkeit des Kindes in einem angemessenen Ausmaß gefördert?  


      Folgende Fragen können helfen, um die vorhandene emotionale Unterstützung zu reflektieren:

      • Bin ich dem Kind (räumlich) nah? Bleibe ich in dessen Reichweite und nehme ich eine offene Körperhaltung ein? Strahle ich Interesse und Ruhe aus?

      • Begleite ich die Aktivitäten des Kindes und unterstütze ich es dabei? Nehme ich es "an die Hand", solange es Hilfe benötigt und bin ich sofort verfügbar?

      • Kontrolliere ich meine eigenen Reaktionen und Emotionen?

      • Trete ich dem Kind gegenüber positiv auf, ohne mich zu verstellen? (Lächeln und Lachen, Freude zeigen, ohne zu übertreiben, da die Kinder auch verhaltene positive Emotionen gut erkennen können und als positiv bewerten)

      • Bin ich für das Kind eine Vertrauensperson?
        - Höre ich dem Kind aufmerksam zu und nehme ich es ernst (lasse ich es ausreden, unterbreche ich es nicht)? Respektiere ich seine Bedürfnisse und helfe ihm, Probleme zu lösen?
        - Zeige ich verbale und physische Zuneigung? Umarme ich ein Kind, wenn es das will?
        - Richte ich auch bei Misserfolg positive Erwartungen an das Kind?
        - Ich bestrafe das Kind nicht unnötig streng und drohe ihm, ich stichele nicht oder beleidige
        - Vermeide ich Sarkasmus und unterbinde ich Betrügereien, Schikanierungen und Mobbing/Hänseleien?

      • Herrscht im Projekt eine respektvolle Atmosphäre? 
        - Halte ich beim Sprechen Augenkontakt mit dem Kind und widme ihm die ganze ungeteilte Aufmerksamkeit?
        - Rede ich mit warmer und ruhiger Stimme, wende ich eine respektvolle Sprache an (ohne Abwertungen oder "Baby-Sprache")?
        - Kooperiere ich mit dem Kind und lasse ich es an Entscheidungen teilhaben?

      • Wird im Projekt individuell auf die Kinder eingegangen? Beobachte ich die Kinder genau und erkenne mögliche Emotionen? (- Geht es allen Kindern gut oder bahnt sich etwas an, da zwei Kinder unglücklich sind oder sich z.B. nicht einigen können?)

      • Werden bei der Planung des pädagogischen Alltags die Interessen der Kinder berücksichtigt? Übernehme ich Verantwortung? Lasse ich die Kinder angemessen mitentscheiden (z.B. Abstimmungen und Wahlen, welches Spiel gespielt wird)?

      • Wird genügend Bewegung ermöglicht?

        -> durch eine emotionale Unterstützung wird das soziale und emotionale Funktionieren der Kinder gewährleistet


      5. Verhaltensmanagement
      Die effektive Beobachtung des Kindes und das Vorhersagen und Vorbeugen von Handlungen spielen für die Interaktionen zwischen der pädagogischen Kraft und dem Kind eine entscheidende Rolle. Wenn das (Fehl)verhalten des Kindes frühzeitig erkannt wird, kann es vorbeugend umgeleitet werden. Beispielsweise kann in einem nahenden Streit die Aufmerksamkeit auf alternative Handlungen gelenkt werden (z.B. können andere interessante Aktivitäten besprochen werden, wenn ein Kind grade mit einem Spielzeug spielt, das das andere Kind auch haben möchte). Dafür ist es hilfreich, wenn Regeln und Erwartungen klar definiert sind und konsistent durchgeführt werden. 

      6. Produktivität
      Die Dimension Produktivität beschreibt die Zeit, die von den Kindern für sinnvolle Aktivitäten (z.B. spielen, basteln, Ausflüge etc.) genutzt wird. Je stärker Routinen und Aktivitäten durch die pädagogischen Kräfte strukturiert werden und je besser diese vorbereitet sind, desto effektiver kann die Zeit genutzt werden. Das Ziel ist es hierbei, die Zeit für Bildungsinhalte zu maximieren.



      7. Anregende Lernumgebung
      Das Ziel von anregenden Lernumgebungen ist es, den Kindern beständige Gelegenheiten zum Sammeln von Erfahrungen zu bieten. Dies können die pädagogischen Kräfte unterstützen, indem sie interessantes Material bereitstellen und vielfältige Aktivitäten ermöglichen. Um die Kinder effektiv bei ihrer Selbstbildung unterstützen zu können, ist es wichtig, sich über die Lehrziele klar zu sein. Werden die Interessen des Kindes berücksichtigt?



      Folgende Fragen können zur Reflektion der Organisation von Kompetenzentwicklung hilfreich sein:

      • Werden klare Erwartungen an die Kinder gerichtet? Gibt es klare Regeln?
      • Beobachte ich die Kinder genau und kann ich ihre nächsten Handlungen vorhersagen? Reagiere ich präventiv auf eventuelle Schwierigkeiten?
      • Sind meine eigenen Reaktionen für die Kinder nachvollziehbar und verständlich? Erläutere ich z.B. mein eigenes Handeln gegenüber den Kindern?
      • Wird Fehlverhalten effektiv umgeleitet, indem z.B. die Aufmerksamkeit des Kindes auf etwas anderes gerichtet (z.B. etwas Neues anfangen: Spiele, Bastelarbeiten…) oder auf etwas Positives fokussiert wird? Werden subtile Hinweise verwendet (z.B.: „guck mal, die anderen malen alle ruhig, wollen wir das auch machen?“)?
      • Werden dem Kind viele Aktivitäten angeboten und verschiedene Materialien zur Verfügung gestellt? Wird spielerisches Lernen ermöglicht?
      • Werden Übergänge zwischen den verschiedenen Aktivitäten geschaffen und Bezüge hergestellt? (s. auch Anwendung: geplante Instruktionen)
      • Ist der pädagogische Alltag gut strukturiert und vorbereitet?
      • Werden die Kinder miteinbezogen und angesprochen (z.B. durch offene Fragen)?
      • Werden die Kinder beruhigt und zum Zuhören bewegt?

      -> eine gute Organisation und eine positiv anregende Lernumgebung, in der das Kind Wertschätzung erfährt kann den Selbstbildungsprozess dieser entscheidend verbessern. 


      8. Konzeptentwicklung

      Die Konzeptentwicklung geht darauf ein, welche Formate eine pädagogische Kraft nutzt, um die Ideengenerierung und den Lernprozess der Kinder anzuregen. Dabei kann neues Wissen von den Kindern mithilfe von "Warum" und "Wie" Fragen selbst erarbeitet werden oder neues Wissen mit bestehendem verknüpft und in Bezug zum Alltag gesetzt werden. Je häufiger die pädagogische Kraft die Kinder dazu anregt „weiter zu denken“, desto förderlicher ist die Interaktion. Fragen, die dazu gestellt werden können sind z.B.: „was passiert mit Regen, wenn es sehr kalt wird“ (wenn man in der Morgenrunde über das Wetter redet) etc.


      9. Qualität der Rückmeldungen
      Die Qualität von Rückmeldungen spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, die Kompetenzentwicklung des Kindes rückblickend oder vorausschauend voranzutreiben. Die Reaktionen und Antworten der pädagogischen Kräfte auf die Kommentare, Ideen und z.B. Bastelarbeiten der Kinder sind dabei besonders wichtig. Es ist gut, wenn Denkprozesse angeregt und Informationen bereitgestellt werden und das Kind ermuntert und bekräftigt wird. So könnte z.B. auf die Frage eines Kindes, ob es auch Schnee im Sommer gibt, geantwortet werden: „das ist eine schlaue Frage. Du hast wahrscheinlich noch keinen Schnee im Sommer gesehen, oder? Wir haben ja gelernt, dass es im Winter kalt ist und im Sommer warm ist(…+Erklärung).“

      10. Sprachbildung

      Die Dimension Sprachbildung erfasst das Ausmaß, in dem die pädagogischen Kräfte die Sprechfreude des Kindes unterstützen, indem sie es ermuntern zu sprechen, dieses dabei ermutigen und ihm gut zureden. Merkmale sind viele und häufige Gespräche, bei denen das Kind selbst viel redet, abwechselndes Sprechen, offen gestellte Fragen, Wiederholungen und das Benutzen einer Sprache, die über den Stand der Kinder hinaus geht und neue Wörter erklärend einbringt.
      Informationen zur Sprachbildung lassen sich auf der Seite der Arbeitsgruppe Inklusive Pädagogik von Prof. Dr. Timm Albers der Universität Paderborn finden


      Wie gelingt eine Unterstützung des Denkens oder Sprechens?

      für Kinder mit wenig sprachlichen Kompetenzen

      • Spielerisch Bildungsinhalte anbieten

      • Wissen und Gesagtes wiederholen, damit das Kind es besser verstehen und lernen kann

      • Eigene Handlungen sprachlich begleiten (z.B. „ich schneide nun das Bild aus, damit ich es danach aufkleben kann“) und auch die Handlungen der Kinder sprachlich beschreiben (z.B. „oh, schneidest du grade das Bild aus? Willst du es danach auch noch aufkleben?“)

      • Kinder motivieren, auch bei schwierigen Dingen weiter zu machen; bei Erfolgen Anerkennung und Stolz zeigen (führt zu Verstärkung und erhöhter Ausdauer)

      • Neues Wissen mit bekanntem und ähnlichem Wissen verknüpfen 

      • Dem Kind viel Dinge erklären und erläutern, auch beiläufig Wissen vermitteln und erweitern

      • Ausflüge oder Experimente veranstalten

      für Kinder mit ausgeprägten sprachlichen Kompetenzen

      • viele offene Fragen stellen, die eine längere Antwort erfordern, um das Kind zum Sprechen oder Nachdenken aufzufordern („warum“ oder „wie“-Fragen)

      • als pädagogische Kraft neugierig sein

      • Dinge kategorisieren und viele Vergleiche ziehen (z.B. „guck mal, hier liegen mehr Messer als Gabeln – 3 Gabeln und 4 Messer, das ist unser Besteck“)

      • Neu Gehörtes oder Erlebtes mit dem Alltag der Kinder und der realen Welt verknüpfen (z.B. auf einem Ausflug „guckt mal, die Pferdemama kümmert sich um ihr Fohlen so wie das eure Mama mit euch macht“)

      • gemeinsam mit den Kindern verschiedene Probleme betrachten und lösen (z.B. bei Geschichten – „das Tier hat also folgendes Problem… was kann man da machen?“)

      • Hinweise geben, sodass die Kinder von selbst auf eine Lösung kommen à bei eigenständigem Problemlösen unterstützen und ermutigen

      -> Die anleitende Unterstützung hilft den Kindern bei der Entwicklung von Sprache und kognitiven Funktionen.