Abschnittsübersicht

    • Der Yasukuni-Schrein in Tokyo wurde 1869 errichtet, um die Seelen der Soldaten zu ehren, die im Dienst für Japan gestorben sind. Insgesamt sind durch Namensnennung fast 2,5 Millionen Kriegstote aus verschiedenen Konflikten, darunter Kriege mit China, Russland und dem Zweiten Weltkrieg, eingeschreint. Was den Schrein so umstritten macht, ist die Tatsache, dass seit 1978 auch 14 Personen dort verehrt werden, die nach dem Zweiten Weltkrieg von einem internationalen Gerichtshof als sogenannte Kriegsverbrecher der Klasse A verurteilt wurden.

      Kriegsverbrecherklassen

      • Klasse A: Die Kategorie „Klasse A“ wurde im Rahmen der Tokyoter Prozesse (3. Mai 1946 - 12. November 1948) eingeführt, um hochrangige politische und militärische Führer Japans zu verurteilen, die für die Planung, Vorbereitung oder Durchführung von Angriffskriegen verantwortlich waren.

      • Klasse B: Kriegsverbrechen, wie zum Beispiel Verstöße gegen die Gesetze des Krieges (z. B. das Massaker von Nanjing (früher Nanking)).

      • Klasse C: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie systematische Gewalt, Zwangsarbeit oder Verfolgung aus politischen oder rassistischen Gründen (z. B. die Versklavung von Frauen (aus Korea, Taiwan, China, etc.) als Zwangsprostituierte, die „Trostfrauen“ genannt wurden).

      Diese Klassifikationen wurden speziell für die Tokioter Prozesse entwickelt und orientierten sich an den Nürnberger Prozessen gegen deutsche Kriegsverbrecher, wobei Japan spezifisch für Verbrechen gegen den Frieden (Angriffskriege) zur Rechenschaft gezogen wurde.

    • Warum ist der Schrein umstritten?

      Die Hauptkritik richtet sich gegen die Verehrung dieser 14 Kriegsverbrecher, die symbolisch für die Verbrechen Japans während des Zweiten Weltkriegs stehen. Wenn japanische Politiker den Schrein besuchen, interpretieren Länder wie China und Südkorea dies als mangelnde Reue und als Versuch, die Verantwortung für Kriegsverbrechen zu relativieren. Diese Besuche führen regelmäßig zu diplomatischen Spannungen und belasten die Beziehungen zu den Nachbarn Japans.

      Befürworter betonen, dass der Yasukuni-Schrein ein Ort des Gedenkens für alle Kriegstoten ist, unabhängig von ihrer Rolle im Krieg. Sie sehen es als Japans Recht an, seiner Gefallenen zu gedenken, so wie es andere Länder ebenfalls tun.

      Kritiker werfen dem Schrein vor, Kriegsverbrecher zu verherrlichen und den japanischen Militarismus zu glorifizieren. Sie sehen in der Verehrung dieser Personen eine Verzerrung der historischen Verantwortung und eine Verharmlosung der Gräueltaten des Krieges.

      Die Herausforderung besteht darin, einen Weg zwischen der Ahnenverehrung und Reue und Verantwortung gegenüber den Opfern Japans Kriegsgeschichte zu finden.

    • Die Reaktion von China und Südkorea auf die Besuche des Yasukuni Schreins und Yūshūkan-Museums durch japanische Premierminister

      Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen einige amtierende Premierminister den Yasukuni-Schrein in Tokyo in offizieller Funktion zu besuchen. Bis 1985 waren diese Besuche häufiger, ein Premierminister besuchte den Schrein in seiner achtjährigen Amtszeit sogar elfmal. Nach 1985 wurden die Besuche viel seltener und hörten bis auf wenige Ausnahmen beinahe vollständig auf. Nur Premierminister Koizumi Junichirō besuchte den Schrein in seiner Amtszeit 2001-2006 insgesamt sechsmal. Der letzte Besuch eines Premierministers war der Besuch von Abe Shinzō 2013, allerdings machten rituelle Opfergaben für den Schrein durch Premierminister in den Jahren 2023 und 2024 Schlagzeilen.

      Noch problematischer als der Yasukuni-Schrein ist allerdings das in der Nähe des Schreins befindliche Museum. Dieses Yūshūkan-Museum wurde 1882 gegründet. Zunächst wurden Artefakte der kaiserlichen japanischen Armee aus der Zeit der Meiji-Restauration in dem Museum aufbewahrt. Es wurde durch das Kanto-Erdbeben von 1923 und den Zweiten Weltkrieg mehrmals beschädigt und wiederaufgebaut. Im Jahr 2002 wurde das Museum erheblich erweitert, unter anderem durch eine Innenausstellung für die Zero Fighter. Diese waren Flugzeuge, die im Zweiten Weltkrieg für die Luftstreitkräfte der Kaiserlich Japanischen Marine eingesetzt wurden. Im Museum sind nicht nur militärische Geräte, Technik und Waffen ausgestellt, sondern auch persönliche Dokumente der Soldaten. Im Museumsshop kann man nationalistische Bücher und Souvenirs erwerben und im Museumscafé werden Speisen nach Marinerezepten angeboten.

      Die bloße Zurschaustellung von militärischen Artefakten ist nicht der Grund für die Kritik aus Ländern, die Opfer der japanischen Aggression im Zweiten Weltkrieg waren. Es sind die Art der Darstellung von Kriegsszenen und die Besuche von japanischen Premierministern, die die Beziehungen Japans zu China und Südkorea belasten. Japan wird vorgeworfen die Menschen, die für Japan gekämpft und Japans Nachbarländern Unheil gebracht haben, als Helden in der Befreiung Asiens vom westlichen Kolonialismus darzustellen. Weiterhin wird die Darstellung kritisiert, dass die militärischen Kampagnen des kaiserlichen Japans durch die wirtschaftliche und militärische Kraft der USA erzwungen wurden. Darüber hinaus werden die Kriegsverbrechen und Gräueltaten Japans in China, Korea und anderswo nicht erwähnt. China und Südkorea sehen die Besuche der Politiker sind also negativ an, da sie an dem Yasukuni-Schrein Kriegsverbrecher ehren und zudem im Yūshūkan-Museum die Kriegsvergangenheit glorifizieren.

      Der japanische Premierminister Shigeru Ishiba hat sich im Herbst 2024 dazu entschlossen, den Yasukuni-Schrein nicht zu besuchen, jedoch eine Opfergabe zu entsenden. Die Opfergaben überschneiden sich häufig mit dem Herbst- oder Frühlingsfest. Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums Mao Ning sagte, dass Yasukuni ein Symbol von Japans militärischem Angriffskrieg sei. Der Sprecher des koreanischen Außenministeriums Lee Jae-woong äußerte tiefe Enttäuschung.

      „Wir fordern Japan auf, sich seiner Geschichte der Aggression zu stellen und sie zu reflektieren und in Worten und Taten bezüglich historischer Sachverhalte wie den Yasukuni-Schrein vorsichtig zu sein.“ (Mao Ning)

      „Die südkoreanische Regierung fordert die Anführer des neuen japanischen Kabinetts nachdrücklich auf, sich unmittelbar der Geschichte zu stellen und durch Taten demütige Reflexion und aufrichtige Reue für Japans vergangene Geschichte zu zeigen, und betont, dass dies eine wichtige Grundlage für die Entwicklung zukunftsorientierter Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens ist.“ (Lee Jae-woong)

      Anmerkungen von Premierminister Koizumi Junichiro zum Besuch des Yasukuni-Schreins 21. April 2002:

      Heute habe ich dem Yasukuni-Schrein einen Besuch abgestattet.

      Der Zweck meines Besuchs war es, aufrichtig um all diejenigen zu trauern, die im Laufe der Geschichte unseres Landes seit der Meiji-Restauration ihr Leben für ihr Land verloren und dabei ihre Familien zurückgelassen haben. Ich glaube, dass der heutige Frieden und der Wohlstand Japans auf den unschätzbaren Opfern vieler Menschen beruhen, die ihr Leben im Krieg verloren haben. Es ist wichtig, dass wir in den kommenden Tagen fest an der Entschlossenheit festhalten, den Frieden anzunehmen und dem Krieg abzuschwören, um sicherzustellen, dass wir nie wieder in einen tragischen Krieg verfallen.

      Ich betrachte es als selbstverständlich, dass ich am Yasukuni-Schrein, der im Laufe vieler Jahre für viele Menschen in Japan zu einer zentralen Institution geworden ist, um diejenigen zu betrauern, die ihr Leben für das Land geopfert haben, meine Aufwartung mache.

      Es ist nicht meine Absicht, durch den Besuch des Yasukuni-Schreins am oder um den Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs erneut Unruhe zu stiften und die Spannungen in Japan und im Ausland zu erhöhen. Nach reiflicher Überlegung habe ich beschlossen, dass ich meine ehrlichen Gefühle aufrichtig zum Ausdruck bringen kann, indem ich den Schrein an diesem Tag, anlässlich des jährlichen großen Frühlingsfestes, besuche.”

    • Diskussionsfragen:

      1. Wie beeinflusst der Streit um den Schrein die Beziehungen zwischen Japan, China und Südkorea?

      2. Wie kann Japan seine Tradition der Ahnenverehrung aufrechterhalten und gleichzeitig ein Zeichen der Reue für Kriegsverbrechen setzen?

      3. Ist es gerecht, alle Kriegstoten in einem Schrein zu verehren, ohne zwischen Opfern und Tätern zu unterscheiden? Begründen Sie Ihre Meinung.

      4. Bedeutet es, Verbrechen zu rechtfertigen, wenn man die Täter als Opfer eines Systems betrachtet? Begründen Sie Ihre Meinung.

      5. Wie beeinflusst die Ahnenverehrung die kollektive Erinnerung und den Umgang mit historischen Verantwortlichkeiten?