
Vom willenlosen Schlafwandler, über den Nosferatu bis hin zum Golem – das Kino der Weimarer Republik ist besiedelt von fantastischen, unheimlichen, mystischen Gestalten. Anstatt diese Figuren jedoch als der Wirklichkeit entrückte Fantasien abzutun, weist sie Siegfried Kracauer als Verkörperungen von Ängsten, Sehnsüchten und politischen Tendenzen aus. Kracauers 1947 erstmals erschienenes Buch „Von Caligari zu Hitler: Eine psychologische Geschichte des deutschen Films“ gilt bis heute als eines der prägendsten Werke der Filmgeschichte und -theorie. Seine ebenso basale wie radikale These: Das Kino der Weimarer Republik nahm den Faschismus vorweg – wer nur aufmerksam genug ins Kino ging, konnte den Totalitarismus kommen sehen.
Das Seminar widmet sich einer intensiven Lektüre von Kracauers „Von Caligari zu Hitler“. Das Buch wird im Rahmen des Seminars vollständig gelesen. In Kombination mit der Lektüre des Buches werden wöchentlich Filme der Weimarer Republik gemeinsam gesichtet und diskutiert. Das Seminar verfolgt damit eine Kombination unterschiedlicher Lernziele: Erstens soll ein tiefgreifendes Verständnis für Kracauers Theorie geschaffen werden, das ebenso auf die Inhalte wie auf die Form abzielt: Wie schreibt Kracauer? Wie verwebt er psychologische, soziologische und filmästhetische Argumente? Zweitens soll ein Verständnis des Kanons des deutschen Expressionismus und des Kinos der Weimarer Republik geschaffen werden: Was zeichnet die Filme dieser Zeit inhaltlich wie ästhetisch aus? Drittens sollen Fluchtlinien gezogen werden, die über diesen Kanon hinausreichen: Lässt sich Kracauers Analyseperspektive übertragen oder ist sie historisch gebunden? Lassen sich auch spätere Filme als „Schilder des Perseus“ – also als politische Spiegel – verstehen, die das gesellschaftliche Sublime zum Ausdruck bringen, bevor es politisch an die Oberfläche tritt? Was kann uns Kracauer für die Gegenwart mitgeben?
- Kursleiter/in: Hannah Peuker