Die Kirchengeschichte ist als Wissenschaft stark auf die Ereignis- und Theologiegeschichte der Reformation anhand der bedeutenden Theologen der Zeit (Luther, Melanchthon, Bugenhagen in Wittenberg; Bucer in Straßburg, Zwingli in Zürich, Calvin in Genf ...) konzentriert. Vernachlässigt bleibt der Bereich, der zeigt, wie andere Schichten – also Laien und Laiinnen – sich mit diesem Neuaufbruch der Religion auseinandergesetzt haben.
Forschungsziel soll es sein zu eruieren, wie in unterschiedlichen, von Laien erstellten Gattungen (Flugschriften, Lieder, Gebete, Briefe) reformatorische Inhalte umgesetzt wurden. Zeichnet sich hier eine hohe Homogenität ab oder gibt es jeweils unterschiedliche Schwerpunkte innerhalb der Gattungen? Verändern sich diese Schwerpunkte innerhalb der Reformationszeit (1517 – 1555)?

Um sich diesen Fragestellungen zu nähern, bieten sich unterschiedliche Gattungen an: Flugschriften von Bauern, Handwerkern, Frauen (1), Gesangbuchlieder (2), Gebetbücher / Frömmigkeitsliteratur (3) und Briefe der Reformatoren (4).
Die Studierenden setzen sich eigenständig mit noch nicht interpretierten Quellen des 16. Jahrhunderts auseinander, die – vielleicht – eine Alltagstheologie spiegeln. Sie erhalten so einen Einblick in die Lebenswelten von Laien und Laiinnen der Reformationszeit und können überprüfen, ob die akademische Theologie und die Alltagstheologie Berührungspunkte aufweisen. Es geht somit um eine „Geschichte von unten“, die anschaulich machen kann, dass im 16. Jahrhundert existentielle Fragestellungen religiös konnotiert waren, die wir heute eher psychologisch beantworten würden.

Semester: WT 2025/26