Erde als Mythos zu betrachten, erlaubt es nicht nur, Schöpfungsgeschichten und Astronaut*innendramen zusammenzudenken, sondern trägt auch der Beobachtung Rechnung, dass die ungeheure Bedeutungsfülle des Wortes, jede Vorstellung von Begrifflichkeit sprengt. Wenn Erde sowohl die Mischung aus organischer und mineralischer Materie meinen kann, in der Pflanzen gedeihen und mit der Menschen und Tiere interagieren, als auch den Planeten als Heim und ‚Heimat‘; wenn Erde als Gegenstück zum Himmel alles Diesseitige meint und zum Medium für Kultur und Natur zugleich werden kann, dann erfordert die Definitions- und Zuschreibungsfülle eine komparatistische Perspektive.

In dieser Vorlesung führt die Frage nach dem „Mythos Erde“ also nicht zur Darstellung einer diesem entgegen gesetzten ‚Wahrheit‘, sondern erlaubt die Ausfaltung eines Netzwerks von Imaginationen, Konzepten und Erzählungen, die dieser Mythos verknüpft. Die Vorlesung wird einerseits einen Eindruck von der (erd-)historischen und planetaren Vielfalt literarischer, medialer und kultureller Erdvorstellungen von „Erde“ vermitteln und andererseits die theoretischen und methodischen Bedingungen der komparatistischen Untersuchung eines so vielgestaltigen Gegenstands erkunden. Wer von Erde spricht, mit Erde interagiert und sich auf Erde bezieht, spricht nicht nur von Herkunft, Identität und Zugehörigkeit, sondern nimmt an einem Dialog teil, der materielle Spuren hinterlässt. Vom Acker bis zum Satelliten, von Wurzeln bis zum Universum und von Kosmogonien bis zu terrestrischen Manifesten werden wir uns in dieser Vorlesung auf, unter, mit und um ‚die Erde‘ drehen.

Semester: SoSe 2025