Gedichte, die Gemälde beschreiben, betreiben lyrische Ekphrasis. Das Genre der Bildgedichte erfreut sich seit der Frühen Neuzeit und bis in die Gegenwart großer Beliebtheit – freilich unter wechselnden Vorzeichen: Seit 1766 stehen derartige Gedichte einerseits unter dem wirkmächtigen Eindruck der von Gotthold Ephraim Lessing in seinem Laokoon proklamierten medienästhetischen Trennung von Malerei als Raumkunst und Literatur als Zeitkunst. In diesem Sinne ‚übersetzt‘ Theodor Körner 1810 in einem Doppelsonett Caspar David Friedrichs Gemälde Abtei im Eichwald (1809) in eine spannende Geschichte. Andererseits aber lässt sich ungeachtet der von Lessing propagierten medialen Trennung doch eine ungemein vielfältige Wechselbezüglichkeit zwischen den Künsten ausmachen. Dies gilt insbesondere in der Moderne. So bringt Paul Celan den Bildgehalt von van Goghs Krähen-Bild in einer kurzen prägnanten Sprachformel auf den Punkt; und so entwickeln Gegenwartslyrik:innen aus Gemälden von Ruisdael bis Twombly formal anspruchsvolle atmosphärische Naturdichtung (Marion Poschmann) oder denken bildkünstlerisch angelegte Themen kritisch weiter (Jan Wagner).

Das Seminar bietet einen historisch-systematischen Längsschnitt zum Genre der ekphrastischen Lyrik. Dabei stehen präzise Gedichtinterpretationen prominenter Texte und flankierende Bildbetrachtungen im Zentrum. Vorschläge zur Ergänzung des Kursmaterials sind willkommen und werden in der ersten Sitzung in den Plan integriert.

Die Gedichte werden auf Moodle bereitgestellt.

Literaturhinweise:

Gisbert Kranz: Das Bildgedicht. 3 Bde. Köln u. Wien 1981–1987.

Thorsten Valk: Lyrische Ekphrasis. Intermediale Referenzen in Bildgedichten von Paul Celan und Gottfried Benn. In: Lyrik intermedial. Paradigmenbildung zwischen 1918 und 1968. Hg. von Wolf Gerhard Schmidt u. Thorsten Valk. Berlin 2009, S. 295–313.

Bernhard Walcher: Das deutschsprachige Bildgedicht. Kunstwissen und imaginäre Museen 1870 –1968. Berlin 2020.

Grundlage für einen Teilnahmenachweis ist die aktive und regelmäßige Mitarbeit, vor- und nachbereitetes Lektürepensum sowie die Übernahme einer Themenpartnerschaft mit Thesenpapier. Ein Leistungsnachweis baut auf einen Teilnahmenachweis auf.

Semester: WT 2024/25