Dies ist ein Seminar für Menschen, die gerne viel lesen! Dafür erfahren wir aber auch, woher Tolkien die »Leuchtfeuer von Gondor« nimmt ... (und wer Tolkien liest, liest gerne viel!)

Der Roman als literarische Gattung hatte bekanntlich im 18. Jahrhundert keinen besonders guten Ruf – vor allem auch, weil er kein Vorbild in der klassischen Antike gehabt habe, weil er, anders als das Epos, eben nicht in Versen verfasst war (und insofern als angeblich fast alltagssprachliche Prosa allenfalls zu Unterhaltungszwecken dienen könne).

Nichtsdestoweniger ist für eine bestimmende Traditionslinie des deutschsprachigen Romans ein antikes Vorbild maßgeblich – allerdings ein spätantikes: Die „Aithiopika“ des Heliodor, die „Äthiopischen Geschichten“ oder auch „Die Abenteuer von Theagenes und Chariklea“ (3. oder 4. Jh.). Der „hohe“ Barockroman, der höfisch-historische Roman ist Adaption dieses Musters; von hier aus lässt sich die Heliodor-Rezeption mindestens bis zu Wielands „Agathon“ und Goethes „Wilhelm Meister“ ziehen. Der Abenteuerroman, die Robinsonade und auch der galante Roman (des frühen 18. Jh.) sind Umbildungen des hohen Barockromans (gehen also letztlich auch auf Heliodor zurück). Und Heliodor selbst schließt in gewisser Weise an die klassische Epik etwa eines Homer an ...

Im Seminar sollen drei Romane im Zentrum stehen: Heliodors „Aithiopika“, Martin Opitz’ Übertragung und Bearbeitung der „Argenis“ von John Barclay (1621, Übers. 1626), das Muster für den höfisch-historischen Roman, und Heinrich Anselm von Zigler und Kliphausens „Asiatische Banise“ (1689). Die Adaption homerischer Momente bei Heliodor, Adaption und Modifikation heliodorischer Erzähltypik im 17. Jahrhundert bis zum Übergang zum galanten Roman werden Gegenstände der Textarbeit sein.

Semester: WiSe 2024/25