Inzwischen ist es (technisch) möglich, Literaturwissenschaft zu studieren, ohne eine Bibliothek zu betreten, ja, ohne ein Buch in die Hand zu nehmen. Nicht selten werden auch Prüfungen über nicht gelesene Bücher bestanden.

Intellektuell und wissenschaftlich ist das unmöglich.

Das Seminar lädt ein zur Lektüre von Romanen, die zum Teil - umgekehrt - in Epochen zurückreichen, wo Mönche oder Gelehrte noch Bücherwissen verwalteten, ohne je richtig in der Welt gewesen zu sein. Diese einst heterotopischen Wissensräume, Bibliotheks-Räume und Bücher-Sammlungen, in denen wie in Kirchen nur leise gesprochen wurde, haben sich heute in vielen modernen Bibliotheken zu prächtigen (lauten) Allerweltorten entwickelt, mit Cafés, Computerarbeitsplätzen, Tagungsstätten, Kitas, Computerkursen, wo neben Büchern vor allem aktuelle Medien angeboten werden. In den Geschichten Elias Canettis, Ray Bradburys Umberto Ecos und Carlos Ruiz Zafóns, die im Zentrum des Seminars stehen, sind die Bibliotheken und Bücherwelten noch mythische, umkämpfte, zum Teil kriegerische Schauplätze, und die Bücher dort sind als gefährliche und gehegte Schätze stets von Flammen bedroht. Elias Canettis Roman "Die Blendung" erschien 1936, eben drei Jahre nach den von Nationalsozialisten veranstalteten Bücherverbrennungen.

Die Lektüre der drei Romane wird eingebettet in Quellen zur Bibliotheksgeschichte, die zugleich die Geschichte der Bildung ist. Die drei Romane sind anzuschaffen. In einem Moodle-Kurs werden weitere Texte, u.a. Jonathan Swifts "Bücherschlacht" (1704), Jorge Luis Borges' "Die Bibliothek zu Babel" und Matthew Battles "Die Welt der Bücher" zur Verfügung gestellt.


Semester: WT 2023/24