Wolframs ‚Willehalm’ gilt zu Recht als eines der Meisterwerke der deutschen Literatur des Mittelalters und erfährt als solches seit Jahrzehnten immer neue Interpretationen. Eher selten zur Kenntnis genommen wird dabei häufig, dass der unvollendete Text in mittelalterlichen Handschriften fast niemals allein überliefert wird, sondern immer in kontextuellen Verbünden. Zuweilen zusammen mit Strickers ‚Karl‘, der als Vorgeschichte verstanden werden kann, meist aber in Form einer Trilogie, in der der ‚Willehalm‘ von einer von einer Vorgeschichte, der ‚Arabel’ Ulrichs von dem Türlin, und einer Fortsetzung, dem ‚Rennewart’ Ulrichs von Türheim, eingeschlossen wird. Mittelalterliche Rezipienten haben den ‚Willehalm’ demnach aus einer ganz anderen Perspektive wahrgenommen als die ihn zum überragenden Einzelwerk stilisierende, damit zugleich jedoch isolierende Forschung, die den ‚Karl‘ gar nicht wahrnimmt und ‚Arabel’ und ‚Rennewart’ als inadäquate Ergänzungen eines Meisterwerks ausblendet. Im Seminar soll es deshalb darum gehen, zwar zunächst den ‚Willehalm’ kennenzulernen, ihn dann jedoch im Kontext zu lesen und möglichst die Konstruktionsprinzipien aufzudecken, die den Zyklifizierungen zugrunde liegen und daraus resultierende interpretatorische Konsequenzen zu bedenken.
Von den Teilnehmenden wird die Bereitschaft zur intensiven Lektüre aller Texte erwartet, wobei – Achtung! - nur Wolframs ‚Willehalm’ in nhd. Übersetzung vorliegt. Der ‚Willehalm‘ sollte zu Beginn des Semesters gelesen sein, die übrigen Texte werden in Auszügen über Moodle zur Verfügung gestellt.

Zur Anschaffung empfohlen:

Wolfram von Eschenbach, Willehalm. Hg. von Joachim Heinzle. Frankfurt am Main; Dt. Klassiker-Verlag, 2009 oder

Wolfram von Eschenbach, Willehalm. Hg. von Horst Brunner. Stuttgart, Reclam, 2018.
Semester: ST 2024