Der Ausschluss von Frauen als Diskursproduzentinnen hat in Kunstkritik und Kunstgeschichte Tradition. Selbst heute noch werden Positionen weiblicher Kunsthistorikerinnen und -kritikerinnen vielfach nur als Alternative zum bestehenden Kanon herangezogen oder allenfalls unter dem Stichwort „Feminismus“ behandelt. Obwohl die Kunstgeschichte als Disziplin nach den neusten Berechnungen des statistischen Bundesamtes kaum noch als „männliche“ Disziplin gewertet werden kann (was Sie als Studierende dieses Faches sicherlich bestätigen dürften), werden weiterhin in vielen Einführungen und Methodenreadern der Kunstgeschichte vor allem männliche Blickwinkel rezipiert und präsentiert. Warum ist das so und welche Rolle spielt der über das Geschlecht sozialisierte Standpunkt in der Kunstbetrachtung bzw. im Schreiben über Kunst? Dies ist die Leitfrage des Seminars, in dem es darum geht, selbstreflexiv die Kunsthistoriographie auf Ausschluss- und Inklusionsmechanismen zu befragen und die Vielfältigkeit und Konstruktion ‚weiblicher‘ Sichten und Schreibpraxen an ausgewählten, vielfach jenseits des hegemonialen Diskurses gebliebenen Texten zu untersuchen. Diese reichen vom Beginn des 20. Jahrhunderts über die während der Zweiten Welle des Feminismus formulierte Institutionskritik der 1970er Jahre bis hin zu aktuellen Bestandsaufnahmen und Bewertungen des Standes der (feministischen) Kunstgeschichte und -kritik.

Ziel des Seminars ist es, die Grundlagen kritischer, wissenschaftlicher Arbeit in der Diskussion verschiedener Ansätze des Schreibens über Kunst zu erlernen und in der eigenen Praxis zu erproben. Das Seminar ist nur in der Kombination mit der gleichnamigen Übung vor Originalen wählbar.
Semester: ST 2024