Untersuchungsgegenstand von Ibn Sīnās/Avicennas (980-1037) Physik, d.h. seiner Lehre von den natürlichen Dingen (aṭ-ṭabīʿiyyāt) sind die sinnlich wahrnehmbaren Körper unter dem Gesichtspunkt, dass sie Bewegung und Veränderung unterliegen. Die Körper werden unterschieden in belebte und unbelebte, die belebten unter dem Gesichtspunkt ihrer seelischen Vermögen,
und entsprechend dieser Untersuchungsgegenstände gliedert sich die Physik in speziellere Wissenschaften wie Meteorologie, Botanik, Zoologie und Psychologie. Die Probleme, welche Ibn Sīnā behandelt, gehen auf ältere Diskurse zurück, und häufig kritisiert er Lehren älterer Philosophen. Seine physikalischen Theorien bilden die Basis für Auseinandersetzungen und
Dispute und das Verständnis von Welt und Kosmos in der mittelalterlichen arabisch-islamischen Welt der folgenden Jahrhunderte bis in unsere Zeit.
Grundlage des Seminars soll der Physikteil von Ibn Sīnās K. aš-Šifāʾ sein, von welchem es eine exzellente englische Übersetzung und hervorragende Sekundärliteratur gibt, welche den Zugang zu dem Werk erleichtert. In der Lehrveranstaltung sollen ausgewählte Passagen dieses Werks unter Zugrundelegung der arabischen Edition gelesen, übersetzt, analysiert und diskutiert werden. Zu den Themen, die behandelt werden sollen, gehören die zentralen übergeordneten Fragen der Kausalität mit den Unterscheidungen der verschiedenen Arten von Ursachen von Werden und Vergehen, Bewegung und Ruhe von Körpern sowie deren Wahrnehmung und rationales Begreifen, die Frage nach kleinsten natürlichen Elementarteilchen, etc.
Von den Teilnehmern wird erwartet, dass sie regelmäßig die zur Lektüre vorgesehenen Passagen der ausgewählten arabischen Texte (unter Zuhilfenahme der englischen Übersetzung) vorbereiten sowie ein spezielles Thema des Werkes bearbeiten und in einem Referat vorstellen.

Literatur zur Einführung:
https://plato.stanford.edu/entries/ibn-sina-natural/
Semester: SoSe 2024