Was tun wir eigentlich, wenn wir Kunstwerke betrachten? Welche Rolle spielt der Ort, an dem wir dies tun? Warum werden Museumsbesuche oft als physische Anstrengung beschrieben und aktuell dennoch vermisst? Wer findet sich in den Gemälden im Museum wieder und wer sucht vergebens nach einem Gegenüber? Welche kognitiven, körperlichen und emotionalen Prozesse lenken unseren Blick? Wie inszenieren Kunstkritiker*innen/Betrachter*innen ihren Blick auf die Kunstwerke, die anderen Besucher*innen und sich selbst? Die Künstlerin und Kunstkritikerin Silvia Kolbowski fragt sich während einer Diashow des Künstlers Daniel Buren, ob es erlaubt sei, im Auditorium zu essen. Die fiktive Kunstkritikerin „Madame Realism“ beschließt trotz wiederkehrender Gedanken an einen Snack, noch ein wenig in der Renoir-Ausstellung zu verweilen. Die Autorin und Kunsttheoretikerin Vernon Lee beschreibt ihre Kunstbetrachtungen in ihren „Gallery Diaries“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts als rhythmische Körpererfahrungen und verschränkt damit Betrachter*innenhaltung und Bildorganisation dergestalt miteinander, dass der beiderseitige Anteil an der Mitwirkung der Form- beziehungsweise Reflexionsbewegung im Ungefähren bleibt. Die Kunsthistorikerin Denise Murrell beschreibt die Tatsache, dass die Präsenz der Schwarzen Haushälterin „Laure“ in Édouard Manets Gemälde „Olympia” (1863) während zahlreicher Museumsführungen und kunsthistorischer Vorlesungen oftmals unbeachtet blieb, als Ausgangspunkt für ihre umfangreiche Recherche „Posing Modernity: The Black Model from Manet and Matisse to Today“. Ausgehend von Mieke Bals Feststellung, „Die Lücken sind wir selbst“, wollen wir uns im Seminar mit verschiedenen Texten befassen, die das Betrachten von Kunstwerken als situierten Prozess selbstreflexiv bewusst halten und uns am Beispiel dieser Texte mit der Frage beschäftigen, wie sich die Konzeption des schauenden Subjekts historisch entwickelt hat.  

Punktevergabe/Anforderungen:
10 Punkte = Aktive Teilnahme an allen Zoom Sitzungen sowie der Präsenzsitzung, Lektüre, Referat und Hausarbeit von 10-12 Seiten

Semester: ST 2024