Die Literatur des Mittelalters gesteht Frauengestalten eigenen Raum in den Erzählwelten von Epen und Romanen zu. Vor allem in der höfischen Erzählliteratur erhalten Frauen dadurch besonderes Profil, dass sie als Liebende und Geliebte, Schwestern und Mütter, Kämpfende, Trauernde und Heilige auftreten und oftmals kulturelle und soziale Grenzen in Frage stellen. Berühmte weibliche Figuren wie Enite, Kriemhild oder Gyburc erfahren dabei nicht allein wegen ihrer Schönheit oder ihres höfischen Verhaltens narrative Aufmerksamkeit, vielmehr werfen die Erzählungen die Frage auf, inwiefern die Figuren einen eigenen Blick auf die Welt haben, eine eigene Stimme finden und selbstständig handeln. Stärker als bei anderen Figuren lässt sich so zeigen, dass Frauengestalten, statt nur Objekt des Erzählens zu sein, in höfischen Texten als Subjekt mit einer Innen- und Handlungswelt entworfen werden.

Im Seminar werden wir von einer Reihe beispielhafter Figurendarstellungen ausgehen und in einem weiterführenden Schritt die methodischen Grundlagen für die Textarbeit klären. Danach wird es um die Frage gehen, welche Themen und welche Problemstellungen sich im höfischen Erzählen mit der Darstellung von Frauen verbinden (z.B. Schönheit, Liebe Trauer, Rache, Treue). Schließlich soll das Thema ‚Liebe in religiösen Konflikten‘ als ein zentrales Diskussionsbeispiel ins Zentrum rücken. Die mhd. Texte werden im Seminar vorgestellt und für die Figurenanalysen erarbeitet.

Textgrundlage: Ein Reader mit Seminarmaterialien wird in einem Moodlekurs zur Verfügung gestellt. Zur Einführung in die literarische Figurenanalyse: Armin Schulz, Erzähltheorie in mediävistischer Perspektive. Studienausgabe. 2., durchgesehene Auflage, Berlin u.a. 2015, S. 8-29.

TN: Aktive Teilnahme sowie Mitarbeit bei einem Referat. LN: zusätzlich mündliche Prüfung (15‘) oder schriftliche Hausarbeit (12-14 Seiten).


Semester: SoSe 2025