Fassade kennen wir alle – nicht nur architektonisch, sondern auch sprachlich: Wendungen wie „eine Fassade zeigen“ oder „das ist alles nur Fassade“ weisen darauf hin, dass die Fassade als oberste Schicht des Bauwerks stets auch einen dekorativen Charakter hat. Mit dieser obersten Schicht ist also die Aufgabe verknüpft, das dahinter liegende Bauwerk mindestens zu bedecken, möglicherweise zu verhüllen oder sogar zu kaschieren. Genau diese verschiedenen Funktionsweisen von Fassade untersucht das Seminar, das sich hierfür Wohn- und öffentliche Gebäude von der Frühen Neuzeit bis heute vornimmt. 
Architektonische Fassaden erfahren derzeit neue Aufmerksamkeit, wenn sie Orte temporärer Installationen werden. Neben solch künstlerischen Interventionen gibt es ein gestiegenes Interesse an Oberflächen, das nicht nur aus der Architektur kommt, sondern auch aus Bereichen der technischen Produktion, der Medizin und Biologie. Die Fassade, in der Moderne als „Maske“ kritisiert, kehrt seit den späten 1970er Jahren zurück: teils als ökologischer Zwischenraum, der zur Nachhaltigkeit des Bauwerks beitragen soll, teils als Zeichenträger unterschiedlicher Medien (Licht) und Botschaften (Reklame), zuletzt als Interface. 
Beides hat eine lange Tradition: Die Schaffung einer privilegierten Seite als Schauseite (Alberti: frons aedis) des Hauses machte diese zu Beginn der Neuzeit zu einem Medium des Austauschs, mit dem innere Strukturen des Hauses nach außen gebracht wurden, wobei es teilweise zu ‚Korrekturen‘ kam, so dass auch fiktive Bilder des Hauses nach außen gebracht wurden. Mit Einsatz der Säulenordnungen visualisierte die Fassade die tektonischen Kräfte des Gebäudes, interagierte dabei aber auch zunehmend selbst mit dem Außenraum. Im ausgehenden 16. Jahrhundert öffnete sich die Wand, es entstanden neuartige Zwischenzonen, die sich auf den öffentlichen Raum bezogen. Durch geschoßübergreifende Strukturen wurde das Haus ein Objekt umfassender architektonischer Kompositionen, gegen die erst das späte 18. Jahrhundert den ganzen Baukörper setzte. Das Hauptseminar führt ein in die Besonderheit der „öffentlichen Wand“ und zeigt deren Wandelbarkeit am Beispiel des Profanbaus.
Semester: WT 2024/25