Bereits seit der Abbasidenzeit bildeten Reisebeschreibungen einen wichti- gen Bestandteil der arabischen biographischen und geographischen Litera- tur, der sich allmählich zu einer selbständigen literarischen Gattung mit eigenen Topoi und Stereotypen entwickelte. In Nordafrika, aber auch im Nahen Osten wurden Reiseberichte in der Periode nach 1600 zu einem wichtigen Medium der Selbstdarstellung und der Vermittlung und Refle- xion  persönlicher  Erfahrungen.  Pilgerfahrten  und  Bildungsaufenthalte, aber auch politische und diplomatische Missionen bildeten häufig den Rahmen für weitergehende Darstellungen von Begegnungen mit Würden- trägern und Herrschern, und mit Gelehrten und Dichtern, was oft mit ei- nem Austausch von Gedichten und gelehrten und literarischen Texten verbunden war. Hieran waren in der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts in zunehmendem Maße neben Muslimen auch Christen beteiligt. Neben den altbekannten Reisezielen in der islamischen Welt werden in dieser Periode auch Aufenthalte in europäischen Staaten und Metropolen und selbst in Süd- und Mittelamerika zum Gegenstand eigener Berichte.

Nach einem allgemeinen Einstieg zu Gattung und Geschichte der Rei- seliteratur im Arabischen sollen Berichte von muslimischen und christli- chen Reisenden aus Nordafrika und dem Nahen Osten mit der Reichweite in Auswahl gelesen, in ihren jeweiligen Erlebnisbeschreibungen vergli- chen und daraufhin befragt werden, inwieweit sich in ihnen Wandlungs- prozesse für die Erlebnishorizonte der Reisenden und ihrer Gesellschaften erschließen lassen.

 

Voraussetzung für das Seminar sind gute Arabischkenntnisse (mindestens

Abschluss von Arabisch IV)

 

Literatur zur Einführung:

Hilary Kilpatrick: "Between Ibn Baṭṭūṭa and aṭ-Ṭahṭāwī: Arabic Travel Accounts

of the Early Ottoman Period", Middle Eastern Literatures, 11 (2008), 233-248

Ralf Elger: "Herrschaftskritik, Karrierestreben, Djihâd. Das Osmanische Reich und Istanbul in arabischen Reiseberichten des 16. bis 18. Jahrhunderts", in Yavuz Köse (hrsg.): Istanbul: vom imperialen Herrschersitzt zur Megalopolis. Historio- graphische Betrachtungen zu Gesellschaft, Institutionen und Räumen, München

2006, 71-82.

Carol Wittwer: "Ibn Ḥamādūš und al-Warṯīlānī beschreiben ihr Leben – individu- elle Selbstdarstellungen in Reiseberichten des 18. Jahrhunderts aus Algerien", in Stefan Reichmuth/Florian Schwarz (hrsg.): Zwischen Alltag und Schriftkultur. Horizonte des Individuellen in der arabischen Literatur des 17./18. Jahrhunderts, Würzburg 2007, 59-80.

John-Paul A. Ghobrial: "The Secret Life of Elias of Babylon and the uses of Glo- bal Microhistory", Past and Present 222 (2014), 51-93.

Semester: SoSe 2024