Im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts entstanden 
im Umkreis der ursprünglich aus dem französischsprachigen Lothringen 
stammenden Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken vier Prosatexte, die 
auf französischen Heldenepen (sog. Chansons de geste) des späteren 13. 
und 14. Jahrhunderts basieren: die „Historie von Herzog Herpin“, 
„Königin Sibille“, „Loher und Maller“ und „Huge Scheppel“. Die deutschen
 Bearbeitungen von drei der Epen greifen dabei auf ein spezifisches 
Register der französischen Literatur des späteren Mittelalters zurück: 
Chansons d’aventures. Bezeichnet werden damit Heldenepen, die in 
Reimstruktur und Metrik wie die ‚klassischen‘ französischen Epen des 12.
 und 13. Jahrhunderts funktionieren, sich im Unterschied zu den älteren 
Epen allerdings durch die Inkorporation verschiedenster Narrative und 
Schemata auszeichnen. Romanhafte Elemente, wie z. B. diverse 
Liebesabenteuer der Protagonisten oder Auftritte von Figuren aus dem 
Stoffbereich des Artusromans, gehören ebenso dazu wie komische oder 
hagiographische Erzählmuster und –motive. Damit rekurrieren die 
Saarbrücker Prosaepen qua Stoff und Thematik auf ältere, 
mittelalterliche Erzählmuster mit der Prosifizierung ihrer strophischen 
Vorlagen und ebenso mit dem Durchspielen bestimmter 
Problemkonstellationen, wie sie für frühneuzeitliche Literatur 
charakteristisch sind, weisen sie zugleich jedoch Kennzeichen der Romane
 des 16. und 17. Jahrhunderts auf, mit denen sie später auch in 
gedruckter Form in Konkurrenz treten. Sie sind damit doppelt liminale 
Texte. Genau dieser liminale und hybride Charakter scheint lange dazu 
beigetragen zu haben, ein angemessenes Verständnis des „Herzog Herpin“, 
der „Königin Sibille“, des „Loher und Maller“ und des „Huge Scheppel“ zu
 erschweren. In den letzten Jahren sind – u.a. an der RUB – allerdings 
Ausgaben entstanden, die ein besseres Verständnis dieser Texte 
ermöglichen.   Im Seminar, das sich ausdrücklich an Studierende 
wendet, die bereit sind, sich auf die frühneuhochdeutschen Texte in 
ihrer ursprüngliche Sprachform einzulassen, werden wir ein großes 
Spektrum an Analysemöglichkeiten (von der Entstehungsgeschichte über 
Einzelinterpretationen bis zur Rezeption in unterschiedlichen Drucken) 
abschreiten. Voraussetzung für die Teilnahme am Seminar, die ggf. durch einen 
Eingangstest überprüft wird, ist eine gute Kenntnis der 
Inhaltszusammenfassungen der vier Werke (leicht zugänglich unter: https://www.esv.info/t/elisabethportal/sub/general/aktualisierung.html) sowie die Fähigkeit, das Frühnhd. zu verstehen.
- Kursleiter/in: Bernd Bastert
 - Kursleiter/in: Anika Soraya Meißner