„Lasset uns auch beten für die treulosen Juden, dass Gott, unser Herr, wegnehme den Schleier von ihren Herzen, auf dass auch sie erkennen unsern Herrn Jesus Christus.“ - so lautet die Karfreitagsfürbitte, die bis 1965 gültig war. Seit 1974 heißt es dagegen: „Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will. (...)“. Beide Formulierungen bilden das komplizierte und wechselhafte Verhältnis zwischen Judentum und Christentum ab. Im Seminar werden wir ebendieses Verhältnis in seinen verschiedenen Ausprägungen in der Geschichte untersuchen und nach seiner Bedeutung für das Selbstverständnis des Christentums fragen. Wir werden der Frage nachgehen, welche Konsequenzen es für eine christliche Theologie hat, wenn man sich dem Dictum der bleibenden Erwählung Israels verpflichtet weiß. Kann überhaupt von Jesus Christus als Erfüllung des Alten Testamentes gesprochen werden, wenn dieses für Juden als hebräische Bibel auch ohne Christus Zeugnis vom lebendigen und treuen Gott abgibt? Welche Schwierigkeiten und Konsequenzen erwachsen aus einer Christologie, die Jesus Christus Titel wie „Messias“ und „Gottes Sohn“ zuschreibt, wenn sie in den Dialog mit jüdischer Theologie gebracht wird? Diese und weitere Fragen sollen für das bis heute spannungsreiche Verhältnis zwischen Judentum und Christentum sensibilisieren und zu Auseinandersetzung mit dem lebendigen Judentum anregen.

Semester: WiSe 2025/26