2.4 Orthogonale Zerlegung von Vektoren

Mit Hilfe des Skalarprodukts kann man einen gegebenen Vektor \(\vec{a}\) zerlegen in einen Anteil \(\vec{a}_{\vec{b}}\), der dieselbe Richtung hat wie ein vorgegebener Vektor \(\vec{b}\neq \vec{0}\) hat sowie einen Anteil \(\vec{a}_{\vec{b}}^{\perp }\), der dazu senkrecht ist. Diese Zerlegung ist sehr nützlich, wenn man den Abstand von Punkten zu Geraden oder Ebenen berechnen möchte.

Applet: Orthogonale Zerlegung

Das Applet demonstriert die orthogonale Zerlegung eines Vektors in der Ebene: Der Vektor \(\vec{a}\) wird in einen Anteil in Richtung von \(\vec{b}\) und einen Anteil senkrecht zu \(\vec{b}\) zerlegt. Durch Ziehen an den Pfeilspitzen lassen sich die beiden Vektoren \(\vec{a}\) und \(\vec{b}\) verändern.

Definition (Orthogonale Zerlegung):
Die orthogonale Zerlegung eines Vektors \(\vec{a}\) in Richtung von \(\vec{b}\) ist die Zerlegung des Vektors \(\vec{a}\) in zwei Anteile

\(\vec{a}=\vec{a}_{\vec{b}}+\vec{a}_{\vec{b}}^{\perp}\)

mit

\(\vec{a}_{\vec{b}}=\displaystyle\frac{\vec{a}\cdot\vec{b}}{|\vec{b}|^2}\,\vec{b}=\left(\vec{a}\cdot\displaystyle\frac{\vec{b}}{|\vec{b}|}\right)\displaystyle\frac{\vec{b}}{|\vec{b}|}\) und

\(\vec{a}_{\vec{b}}^{\perp}=\vec{a}-\vec{a}_{\vec{b}}=\vec{a}-\displaystyle\frac{\vec{a}\cdot\vec{b}}{|\vec{b}|^2}\,\vec{b}\perp\vec{b}\)

Dass \(\vec{a}_{\vec{b}}\) ein Vielfaches von \(\vec{b}\) ist, ist unmittelbar zu erkennen. Um zu sehen, dass \(\vec{a}_{\vec{b}}^{\perp }\) tatsächlich senkrecht zu \(\vec{b}\) ist, bildet man das Skalarprodukt und rechnet nach, dass

\(\vec{a}_{\vec{b}}^{\perp}\cdot\vec{b}=\vec{a}\cdot\vec{b}-\displaystyle\frac{\vec{a}\cdot\vec{b}}{|\vec{b}|^2}\,\underbrace{\vec{b}\cdot\vec{b}}_{=|\vec{b}|^2}=\vec{a}\cdot\vec{b}-\vec{a}\cdot\vec{b}=0\)

ist.

Aus der zweiten Darstellung für \(\vec{a}_{\vec{b}}\) erkennt man auch, dass sich die orthogonale Zerlegung vereinfacht, wenn \(\vec{b}\) ein Vektor der Länge 1 ist:

\(|\vec{b}|=1\quad\Rightarrow\vec{a}_{\vec{b}}=(\underbrace{\vec{a}\cdot\vec{b}}_{\in\mathbb{R}})\vec{b}\)

Mit Hilfe des Kreuzproduktes kann man im Fall \(\vec{a},\vec{b}\in \mathbb {R}^3\) den Anteil \(\vec{a}_{\vec{b}}^{\perp }\) von \(\vec{a}\) senkrecht zu \(\vec{b}\) noch auf andere Weise darstellen.

\(\vec{a}_{\vec{b}}^{\perp}=\displaystyle\frac{1}{|\vec{b}|^2}\left(|\vec{b}|^2\vec{a}-(\vec{a}\cdot\vec{b})\,\vec{b}\right)=\displaystyle\frac{1}{|\vec{b}|^2}\vec{b}\times(\vec{a}\times\vec{b})\)

denn nach den Rechenregeln für das Kreuzprodukt ist

\(\vec{b}\times(\vec{a}\times\vec{b})=\vec{a}-\displaystyle\frac{\vec{a}\cdot\vec{b}}{|\vec{b}|^2}\,\vec{b}=(\vec{b}\cdot\vec{b})\vec{a}-(\vec{b}\cdot\vec{a})\vec{b}.\)

Orthonormalbasis bestimmen im \(\mathbb {R}^3\)

Gelegentlich benötigt man für ein kartesisches Koordinatensystem Vektoren, die zueinander senkrecht sind, die Länge 1 haben, aber nicht die Standardeinheitsvektoren sind. Beispielsweise könnte es erwünscht sein, dass zwei der Vektoren in einer vorgegebenen Ebene liegen.

Definition (Orthonormalbasis):
Man nennt drei Vektoren \(\{ \vec{b}_1,\vec{b}_2,\vec{b}_3\} \) des \(\mathbb {R}^3\) eine Orthonormalbasis, falls jeweils zwei dieser Vektoren senkrecht zueinander sind und jeder der Vektoren die Länge 1 hat, in Formeln ausgedrückt

\(\vec{b}_1\cdot\vec{b}_2=\vec{b}_1\cdot\vec{b}_3=\vec{b}_2\cdot\vec{b}_3=0\) und \(|\vec{b}_1|=|\vec{b}_2|=|\vec{b}_3|=1.\)

Seien \(\vec{a}_1,\vec{a}_2\neq \vec{0}\) zwei Vektoren im \(\mathbb {R}^3\), die nicht parallel zueinander sind. Dann kann man wie folgt eine Orthonormalbasis \(\{ \vec{b}_1,\vec{b}_2,\vec{b}_3\} \) des \(\mathbb {R}^3\) konstruieren, so dass \(\vec{b}_1\) und \(\vec{b}_2\) in der von \(\)\vec{a}_1\(\) und \(\)\vec{a}_2\(\) erzeugten Ebene liegen.

  1. Bringe den ersten Vektor auf die Länge 1 ("normiere" den Vektor): \(\vec{b}_1 =\displaystyle\frac {\vec{a}_1}{\vert\vec{a}_1\vert}\)

  2. Benutze die orthogonale Zerlegung, um den Anteil von \(\vec{a}_2\) zu bestimmen, der orthogonal zu \(\vec{b}_1\) ist:

    \(\vec{c}_2=\vec{a}_2-(\vec{b}_1\cdot\vec{a}_2)\vec{b}_1\)

    Hierbei benutzen wir, dass \(|\vec{b}_1| =1\) ist.

  3. Normiere auch den zweiten Vektor: \(\vec{b}_2 =\displaystyle\frac {\vec{c}_2}{|\vec{c}_2|}\)

  4. Bestimme einen dritten Vektor, der auf \(\vec{b}_1\) und \(\vec{b}_2\) senkrecht steht durch das Kreuzprodukt:

    \(\vec{b}_3=\vec{b}_1\times\vec{b}_2\)

  5. Dieser Vektor hat automatisch die Länge 1, braucht also nicht mehr normiert zu werden!

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Zuletzt geändert: Mittwoch, 23. Januar 2019, 16:19