9.2 Basis und Dimension

An dieser Stelle sei an die Definition der linearen Unabhängigkeit von Vektoren aus Kapitel 3 erinnert. Anschaulich sind k Vektoren im \(\mathbb{R}^n\) linear unabhängig, wenn sie in k "verschiedene Richtungen" zeigen, wenn also keine zwei Vektoren in dieselbe Richtung zeigen, ein dritter Vektor in der Ebene liegt, die schon von zwei anderen Vektoren aufgespannt wird, etc.

Um die lineare Unabhängigkeit von Vektoren nachzuprüfen untersucht man Linearkombinationen der Vektoren.

Definition (linear unabhängig):
Sei \(V\) ein reeller Vektorraum. Eine Menge \(E=\{\vec{e}_1,\vec{e}_2,\dots,\vec{e}_k\}\subset V\) heißt linear unabhängig, falls sich der Nullvektor nur als die triviale Linearkombination aus \(E\) darstellen lässt:

\(\sum\limits_{j=1}^k\alpha_j\vec{e}_j=0\hspace{1em}\Rightarrow\hspace{1em}\alpha_1=\alpha_2=\ldots=\alpha_k=0\)

\(E\) heißt linear abhängig, falls \(E\) nicht linear unabhängig ist.


Falls die Vektoren linear abhängig sind, dann ist

\(\alpha_1\vec{e}_1+\alpha_2\vec{e}_2+\dots+\alpha_k\vec{e}_k=0\)

und nicht alle \(\alpha_j\) sind 0. Zum Beispiel könnte \(\alpha_k\neq 0\) sein. In diesem Fall lässt sich die Gleichung umformen zu

\(-\displaystyle\frac{\alpha_1}{\alpha_k}\vec{e}_1-\displaystyle\frac{\alpha_2}{\alpha_k}\vec{e}_2-\dots-\displaystyle\frac{\alpha_{k-1}}{\alpha_k}\vec{e}_{k-1}=\vec{e}_k\)

der Vektor \(\vec{e}_k\) lässt sich also als Linearkombination der anderen Vektoren darstellen und hat daher keine "eigene" unabhängige Richtung. Man kann auf diese Weise sehen: Falls die k Vektoren linear abhängig sind, dann gibt es immer mindestens einen, der sich als Linearkombination der restlichen Vektoren schreiben lässt.

Definition (Dimension und Basis):
Sei \(V\) ein reeller Vektorraum. Die maximale Anzahl an linear unabhängigen Vektoren in \(V\) nennt man die Dimension von \(V\). Hat \(V\) die Dimension \(n\) dann nennt man eine Menge \(B=\{ \vec{b}_1, \ldots , \vec{b}_ n\}\) von \(n\) linear unabhängigen Vektoren eine Basis von \(V\).

Achtung! Mit keinem Wort wird hier verlangt, dass Basisvektoren die Länge \(1\) haben oder zueinander senkrecht stehen sollen. Basisvektoren können also durchaus ein "schiefes" Koordinatensystem erzeugen.

Bemerkung:
Es gibt Vektorräume, in denen es unendlich viele linear unabhängige Vektoren gibt. Damit ist gemeint, dass es eine unendliche Menge von Vektoren \(\{\vec{e}_1,\vec{e}_2,\dots\}\) gibt, so dass jede endliche Teilmenge davon linear unabhängig ist. Zum Beispiel sind im Vektorraum aller Polynome die Vektoren \(1\), \(x\), \(x^2\), \(x^3,\ldots \) alle linear unabhängig.


Das ist nicht ganz leicht zu sehen. Man muss dazu nachprüfen, dass für jede beliebige natürliche Zahl \(m\in\mathbb{N}\) die Polynome \(1,x,x^2,\ldots, x^m\) linear unabhängig sind, d.h., dass die Gleichung

\(\alpha_0 + \alpha_1 x+\alpha_2x^2 +\ldots+\alpha_m x^m =0 \)

nur dann erfüllt ist, wenn \(\alpha_0=\alpha_1=\ldots=\alpha_m=0\) ist. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Null auf der rechten Seite das Nullpolynom bedeutet, die Gleichung soll also für alle \(x\in\mathbb{R}\) gelten. Ein "richtiges" Polynom m-ten Grades, dessen Koeffizienten \(\alpha_0,\alpha_1,\ldots,\alpha_m\) nicht alle Null sind, hat aber nach dem Fundamentalsatz der Algebra höchstens \(m\) Nullstellen, daher können nicht alle \(x\in\mathbb{R}\) eine Nullstelle sein, bzw. eben nur dann, wenn das Polynom in Wirklichkeit gar kein "richtiges" Polynom ist, sondern \(\alpha_0=\alpha_1=\ldots=\alpha_m=0\) ist.

Wenn man für jede noch so große Zahl \(m\) immer \(m\) linear unabhängige Vektoren finden kann, spricht man von einem unendlich-dimensionalen Vektorraum.

Wichtig ist, dass man bezüglich einer beliebigen vorgegebenen Basis \(B=\{ \vec{b}_1, \ldots , \vec{b}_n\}\) jeden Vektor \(\vec{v}\) auf genau eine Art als Linearkombination

\(\vec{v}=\alpha_1\vec{b}_1+\alpha_2\vec{b}_2+\ldots+\alpha_n\vec{b}_n\)

darstellen kann. Den Vektor \(\left(\begin{array}{r} \alpha _1 \\ {\vdots }\\ {\alpha _ n}\end{array}\right)\in \mathbb {R}^n\) nennt man die Koordinaten von \(\vec{v}\) bezüglich der Basis \(B\).

Zuletzt geändert: Samstag, 26. Januar 2019, 00:07