10.5 Uneigentliche Grenzwerte

Mit gewissen Einschränkungen gelten die Rechenregeln für Grenzwerte auch noch für Folgen, die "gegen \(+\infty \)" oder "gegen \(-\infty \)" streben. Was wir damit genau meinen ist folgendes:

Definition (Uneigentliche Grenzwerte):

Sei \((a_ n)_{n\in \mathbb {N}}\) eine Folge.
Falls für jede (noch so große) Zahl \(C>0\) ein Index \(N\in \mathbb {N}\) existiert, so dass

\(a_n>C\;\) für alle \(\;n>N\)

dann sagt man, die Folge konvergiert uneigentlich gegen \(+\infty\) .
In (etwas missbräuchlicher) Notation schreibt man dann \(\lim \limits _{n\to \infty } x_ n = +\infty \), obwohl die Folge streng genommen keinen Grenzwert besitzt.

Analog nennt man \((a_ n)_{n\in \mathbb {N}}\) uneigentlich konvergent gegen \(-\infty \), falls für jede Zahl \(C>0\) ein Index \(N\in \mathbb {N}\)\( existiert, so dass

\(a_n<-C\) für alle \(n>N\).


Beispiele:
  1. Es ist \(\lim \limits _{n\to \infty }n!=+\infty \).

  2. Für jedes \(x>1\) ist \(\lim \limits _{n\to \infty }x^ n=+\infty\).

  3. Für jedes \(x>1\) und jede gerade Zahl \(k=2m\) ist \(\lim \limits _{k\to -\infty }x^k=+\infty \).

  4. Es ist \(\lim \limits _{n\to \infty }\sqrt {n}=+\infty \).


Bemerkung :
Die Rechenregeln für Grenzwerte gelten auch für uneigentlich konvergente Folgen, wenn man die naheliegenden Vorschriften

\(\infty+c=\infty,\;\;\;\;\infty+\infty=\infty,\;\;\;\; \infty\cdot\infty=\infty\;\;\text{ und }\;\;\infty\cdot(-\infty)=-\infty \)

verwendet. Es gibt aber eine ganze Reihe Ausdrücke mit \(\pm \infty \), mit denen man nicht sinnvoll rechnen kann, zum Beispiel

\(\infty+(-\infty),\;\;\;\displaystyle\frac{\infty}{\infty}\;\;\text{ oder }\;\; 0\cdot\infty.\)

Hier muss man andere Überlegungen anstellen, um die entsprechenden Grenzwerte zu bestimmen.


Den Grenzwert rationaler Funktionen für \(x\to \infty \) kann man mit etwas Übung der Funktion ansehen.
  • Falls der Grad des Zählerpolynoms kleiner ist als der Grad des Nennerpolynoms, dann strebt die rationale Funktion für \(x\to \infty \) (und auch für \(x\to -\infty \)) gegen \(0\).

  • Falls der Grad des Zählerpolynoms größer ist als der Grad des Nennerpolynoms, dann strebt die rationale Funktion für (x\to \infty \) gegen \( +\infty \) oder \(-\infty \). Es existiert also kein Grenzwert.

  • Falls der Grad des Zählerpolynoms gleich dem Grad des Nennerpolynoms ist, dann konvergiert die rationale Funktion für \(x\to \infty \) (und auch für \(x\to -\infty \)) gegen das Verhältnis der führenden Koeffizienten.


Vorsicht ist geboten, wenn der Grad des Zähler- oder Nennerpolynoms nicht ganz offensichtlich zu erkennen ist, zum Beispiel bei

\(\lim\limits_{x\to\infty}\displaystyle\frac{(x-1)^3-(x-2)^3}{(x+2)^2-(2x+1)^2}\)

Nach dem Ausmultiplizieren heben sich im Zähler die \(x^3\)-Terme weg, so dass der Grad des Zählerpolynoms und des Nennerpolynoms jeweils 2 ist:

Mit Hilfe des Binomischen Satzes ist

\(\begin{array}{rcl}&&\lim\limits_{x\to\infty}\displaystyle\frac{(x-1)^3-(x-2)^3}{(x+2)^2-(2x+1)^2} \\&&\\&=&\lim\limits_{x\to\infty}\displaystyle\frac{x^3-3x^2+3x-1-(x^3-6x^2+12x-8)}{(x^2+4x+4)-(4x^2+4x+1)} \\&&\\&=&\lim\limits_{x\to\infty}\displaystyle\frac{\mathbf{3}x^2-9x+7}{\mathbf{-3}x^2+3}=\displaystyle\frac{3}{-3}=-1\end{array} \)

Die entscheidenden Koeffizienten sind dabei fett hervorgehoben.

Zuletzt geändert: Sonntag, 27. Januar 2019, 08:51