10.2 Folgen

Auch wenn der typische Fall der Grenzübergang gegen Null oder gegen unendlich ist, wollen wir die theoretischen Betrachtungen für beliebige Grenzwerte einführen. Dazu beginnen wir mit Grenzwerten von Zahlenfolgen und kehren später mit deren Hilfe zu Grenzwerten bei Funktionen zurück.

Definition (Folge):

Eine Folge ist eine Aufzählung von unendlich vielen fortlaufend nummerierten Zahlen \(a_1, a_2, a_3, a_4,\ldots \).

Etwas abstrakter kann man eine Folge auch als Abbildung

\( \begin{array}{rcl} a:\mathbb{N}&\to&\mathbb{R}\\n&\mapsto&a_n\;, \end{array} \)

auffassen, die jeder natürlichen Zahl \(n\) ein Folgenglied \(a_ n\) zuordnet. Wir schreiben die Folge \(x\) entweder in der Form \((a_0, a_1, a_2, a_3, \ldots )\) oder kurz \(\left( a_ n\right)_{n\in \mathbb {N}}\).
Die Zahl \(n\) nennen wir den (Folgen-)Index des Folgenglieds \(a_ n\).


Wichtig dabei ist, dass die Zahlenfolge eine unendlich lange Liste ist, also nie aufhört.

Explizite und rekursive Darstellung

Zahlenfolgen kann man auf unterschiedliche Arten angeben.

Die Folgenglieder können einfach aufgezählt werden, wenn dadurch klar ist, wie die weiteren Folgenglieder aussehen. Das geht bei Folgen wie

\(1,-1,1,-1,1,-1,1,-1,\ldots\text{ oder }1,\displaystyle\frac{1}{2},\displaystyle\frac{1}{3},\displaystyle\frac{1}{4},\displaystyle\frac{1}{5},\ldots\)

Die Folgenglieder können auch durch eine Formel beschrieben werden. Das n-te Folgenglied der ersten Folge ist beispielsweise \((-1)^{n+1}\), während die Glieder der zweiten Folge durch \(\frac {1}{n}\) berechnet werden können.


Bei einer arithmetischen Folge ist die Differenz zweier aufeinanderfolgender Glieder immer gleich, das Bildungsgesetz lautet also \(a_ n=c\cdot n+b\) mit Konstanten \(c,b\in \mathbb {R}\). Arithmetische Folgen sind also

\(7,14,21,28,35,\ldots\) oder \(1,4,7,10,13,16,19,\ldots\)


Sie können sich davon vergewissern, indem Sie das passende c und das passende b bestimmen.


Bei einer geometrischen Folge ist der Quotient zweier aufeinanderfolgender Glieder immer gleich, das Bildungsgesetz lautet also \(a_n=C\cdot q^n\) mit Konstanten \(C,q\in \mathbb {R}\). Geometrische Folgen sind also

\(1,2,4,8,16,\dots\) oder \(\displaystyle\frac{3}{2},\displaystyle\frac{9}{2},\displaystyle\frac{27}{2},\displaystyle\frac{81}{2},\dots\)

Das macht man sich am besten klar, indem man immer zwei aufeinanderfolgende Glieder durcheinander teilt. Auf diese Weise kann man das richtige q bestimmen, das passende C erhält man dann, indem man \(C=\frac{a_n}{q^n}\) für irgendein n berechnet.


Auch bei einer deutlich komplizierteren Formel zur Beschreibung der Folgenglieder wie \(x_ n=\displaystyle\frac {(n!)^2\cdot (2n-1)}{(2n)!\sqrt {n+1}}\) kann man im Prinzip zu jedem Index n das entsprechende Folgenglied \(x_ n\) berechnen, indem man das entsprechende n in die Formel einsetzt.

Anregung :
Geben Sie für die Folgen

\(\displaystyle\frac{3}{2},-\displaystyle\frac{3}{4},\displaystyle\frac{3}{8},-\displaystyle\frac{3}{16},\dots\) und \(\displaystyle\frac{1}{2},\displaystyle\frac{2}{5},\displaystyle\frac{3}{8},\displaystyle\frac{4}{11},\displaystyle\frac{5}{14},\dots\)

Formeln an, mit denen man das allgemeine n-te Folgenglied berechnen kann und bestimmen Sie daraus jeweils das zehnte Folgenglied.

Lösung: Die erste Folge wird durch die Formel \(x_n=(-1)^{n+1}\displaystyle\frac{3}{2^n}\) beschrieben, das zehnte Glied ist also \(x_{10} = -\displaystyle\frac{3}{1024}\).
Die zweite Folge wird durch die Formel \(x_n=\displaystyle\frac{n}{3n-1}\) beschrieben, das zehnte Glied ist also \(x_{10} = -\displaystyle\frac{10}{29}\).



Eine weitere Methode, Zahlenfolgen zu beschreiben, ist die rekursive Definition. Dabei gibt man an, wie man ein Folgenglied \(x_{n+1}\) aus dem jeweils vorhergehenden Folgenglied \(x_ n\) berechnet (wie sich also \(x_{n}\) aus dem vorhergehenden Folgenglied \(x_{n-1}\) ergibt). Beispielsweise könnte dieser Zusammenhang durch die Formel

\(x_{n+1}=\displaystyle\frac{x_{n}+\displaystyle\frac{3}{x_{n}}}{2}\)

gegeben sein. Damit man daraus die Folgenglieder der Reihe nach berechnen kann, muss man noch das allererste Folgenglied kennen. Zum Beispiel ergibt sich aus der oben angegebenen Rekursionsformel mit dem ersten Folgenglied \(x_1=1\) als Beginn der Folge

\(\begin{array}{rcl}x_2&=&\displaystyle\frac{x_1+\displaystyle\frac{3}{x_1}}{2}=\displaystyle\frac{1+\displaystyle\frac{3}{1}}{2}=2,\\x_3&=&\displaystyle\frac{x_2+\displaystyle\frac{3}{x_2}}{2}=\displaystyle\frac{2+\displaystyle\frac{3}{2}}{2}=\displaystyle\frac{5}{4},\\x_4&=&\displaystyle\frac{x_3+\displaystyle\frac{3}{x_3}}{2}=\displaystyle\frac{\displaystyle\frac{5}{4}+\displaystyle\frac{3}{\displaystyle\frac{5}{4}}}{2}=\displaystyle\frac{73}{40},\\&{\vdots}&\end{array}\)

Beispiel (Fibonacci-Zahlen):
Bei einer rekursiv definierten Folge kann das Folgenglied \(x_ n\) auch von mehreren vorhergehenden Folgengliedern abhängen. Ein Beispiel dafür ist die Fibonacci-Folge, die durch die Rekursionsvorschrift \(F_ n=F_{n-1}+F_{n-2}\) defniert wird. Damit man überhaupt irgendwelche Folgenglieder berechnen kann, benötigt man hier zwei "‘Startwerte" \(F_1=F_2=1\). Damit ergibt sich dann problemlos \(F_3=1+1=2\), \(F_4=2+1=3\), \(F_5=3+2=5\), \(F_6=5+3=8\), \(F_7=8+5=13\) usw.

Zusammengefasst: Bei einer rekursiv definierten Folge wird eine Vorschrift angegeben, wie man ein Folgenglied aus dem vorhergehenden (oder den vorhergehenden) berechnet. Außerdem müssen das erste Folgenglied oder die ersten Folgenglieder gegeben sein, damit man mit der Berechnung überhaupt beginnen kann.

Man kann Folgen auf verschiedene Arten graphisch darstellen, beispielsweise indem man die Lage der einzelnen Folgenglieder auf dem Zahlenstrahl markiert. Daran kann man erkennen, in welchem Bereich besonders viele oder besonders wenige Folgenglieder liegen. Man kann aber auch in einem zweidimensionalen Diagramm die Punkte \((n,x_ n)\) markieren und auf diese Weise möglicherweise eine Vorstellung davon bekommen, wie sich die Folgenglieder für große \(n\) verhalten.

Beispielsweise erhält man in der folgenden Graphik einen Eindruck davon, wie schnell die Glieder der Fibonacci-Folge anwachsen.

Fibonacci

Bemerkung :
Folgen lassen sich gliedweise addieren, subtrahieren und multiplizieren:

\( \begin{array}{rcl} (a+b)_n&=&a_n+b_n\\(a-b)_n&=&a_n-b_n\\(a\cdot b)_n&=&a_n\cdot b_n \end{array} \)

Auch die Division von Folgen ist möglich, vorausgesetzt, dass alle Folgenglieder \(b_n\neq 0\) sind:

\((a/b)_n=\displaystyle\frac{a_n}{b_n}\)

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Zuletzt geändert: Samstag, 26. Januar 2019, 08:28