14.5 Partialbruchzerlegung

Es soll im folgenden an drei Beispielen gezeigt werden, wie man rationale Funktionen, d.h. Funktionen der Form \(f(x)=\displaystyle\frac{P(x)}{Q(x)}\) integriert, wobei \(P\) und \(Q\) Polynome sind.

Ziel ist dabei, die Integration beliebiger rationaler Funktionen auf einige wenige "Grundintegrale" zurückzuführen, die man kennen muss.

Das Vorgehen wird am besten klar, wenn man sich verschiedene Beispiele zur Partialbruchzerlegung anschaut. Das allgemeine Resultat wird dann am Ende ohne Beweis angegeben.

Beispiel 1: \(\displaystyle\int {\displaystyle \frac{x^3+2}{x^2-1}}\, \mathrm{d}x\)


Wenn der Grad des Nennerpolynoms kleiner ist als der Grad des Zählerpolynoms, dann kann man das Integral durch Polynomdivision mit Rest zerlegen in ein Polynom und eine rationale Funktion, deren Zähler einen kleineren Grad hat als der Nenner. In unserem Beispiel ist

\({\displaystyle\frac{x^3+2}{x^2-1}}={\displaystyle\frac{x^3-x+x+2}{x^2-1}}=x+{\displaystyle\frac{x+2}{x^2-1}}\)

Da sich der erste Term leicht integrieren lässt, müssen wir uns nur noch um den Bruch kümmern. Dazu macht man den Ansatz

\({\displaystyle\frac{x+2}{x^2-1}=\frac{x+2}{(x+1)(x-1)}=\frac{A}{x+1}+\frac{B}{x-1}}\)

mit geeigneten Koeffizienten \(A\) und \(B\). Bringt man die Summe auf der rechten Seite wieder auf den Hauptnenner, dann erhält man

\({\displaystyle\frac{x+2}{x^2-1}=\frac{A(x-1)+B(x+1)}{x^2-1}=\frac{(A+B)x-A+B}{x^2-1}}.\)

Damit diese Identität für alle \(x\) richtig ist, müssen die Polynome im Zähler übereinstimmen. Durch Koeffizientenvergleich erhält man die Gleichungen

\( \begin{array}{rcl} A+B&=&1\\-A+B&=&2 \end{array} \)

mit der eindeutigen Lösung \(A=-1/2\) und \(B=3/2\). Insgesamt erhalten wir so

\(\int{\displaystyle\frac{x^3+2}{x^2-1}}\,\mathrm{d}x=\int{\displaystyle x\,\mathrm{d}x-\frac{1}{2}\int{\displaystyle\frac{1}{x+1}}\,\mathrm{d}x+\frac{3}{2}\int{\displaystyle\frac{1}{x-1}}\,\mathrm{d}x}={\displaystyle\frac{x^2}{2}-\frac{1}{2}\ln(x+1)+\frac{3}{2}\ln(x-1)}.\)

Allgemein kann man bei einem Nennerpolynom \(Q(x)=(x-x_1)(x-x_2)\ldots (x-x_ n)\), das vollständig in Linearfaktoren zerfällt, den Ansatz

\({\displaystyle\frac{P(x)}{Q(x)}}={\displaystyle\frac{A_1}{x-x_1}+\frac{A_2}{x-x_2}+\ldots\displaystyle\frac{A_n}{x-x_n}}\)

verwenden, der mittels Koeffizientenvergleich auf ein lineares Gleichungssystem für die Unbekannten \(A_1, A_2,\ldots , A_ n\) führt. Wie man solche linearen Gleichungssysteme systematisch löst, wissen wir ja schon aus Abschnitt 4.

Beispiel 2: \(\int {\displaystyle \frac{x+1}{(x-2)^2}}\, \mathrm{d}x\)

In diesem Fall hat der Nenner eine doppelte Nullstelle und wir müssen unseren Ansatz ein wenig modifizieren: Wir suchen \(A\) und \(B\) so, dass

\({\displaystyle\frac{x+1}{(x-2)^2}}={\displaystyle\frac{A}{x-2}+\frac{B}{(x-2)^2}}\)

für alle \(x\) erfüllt ist. Das führt auf das Gleichungssystem \(A = 1\) und \(-2A+B=1\), also \(B=3\). Damit ist

\(\int{\displaystyle\frac{x+1}{(x-2)^2}}\,\mathrm{d}x=\int{\displaystyle\frac{1}{x-2}}\,\mathrm{d}x+\int{\displaystyle\frac{3}{(x-2)^2}}\,\mathrm{d}x\)

und diese beiden Integrale lassen sich leicht berechnen.

Beispiel 3:
Man berechne \(\int {\displaystyle \frac{4x-1}{4x^2-4x+2}}\, \mathrm{d}x\).

Man kann hier leicht nachrechnen, dass der Nenner keine reellen Nullstellen besitzt, eine Zerlegung wie in Beispiel 1 also nicht funktioniert. Die komplexen Nullstellen für eine Zerlegung zu benutzen, hilft uns auch nicht weiter, da wir sonst möglicherweise Ausdrücke wie \(\ln (x+i)\) etc. als Stammfunktionen erhalten.

Wenn hier im Zähler gerade die Ableitung des Nenners stünde, dann könnten wir einfach den Nenner substituieren.

Dies motiviert aber die folgende Zerlegung:

\(\int{\displaystyle\frac{4x-1}{4x^2-4x+2}}\,\mathrm{d}x=\frac{1}{2}\int{\displaystyle\frac{8x-4}{4x^2-4x+2}}\,\mathrm{d}x+\int{\displaystyle\frac{1}{4x^2-4x+2}}\,\mathrm{d}x\)

Beide Integrale können wir nun durch Substitution lösen:
Mit \(u=4x^2-4x+2\) also \(\mathrm{d}u = (8x-4)\mathrm{d}x\) ist

\(\int{\displaystyle\frac{8x-4}{4x^2-4x+2}}\,\mathrm{d}x=\int{\displaystyle\frac{\mathrm{d}u}{u}}\,=\ln( u)=\ln(4x^2-4x+2).\)

Für das zweite Integral wählt man wegen \(4x^2-4x+2=(2x-1)^2+1\) die Substitution \(v=2x-1\) und erhält dann

\(\int\limits{\displaystyle\frac{1}{4x^2-4x+2}}\,\mathrm{d}x=\int{\displaystyle\frac{\mathrm{d}v}{v^2+1}}\,=\arctan( v)=\arctan(2x-1).\)

Im allgemeinen kann man jedes Integral einer rationalen Funktion durch Partialbruchzerlegung in einfachere Integrale zerlegen, die man dann geschlossen darstellen kann. Die einzige prinzipielle Schwierigkeit besteht darin, den Nenner in Linearfaktoren und quadratische Terme ohne reelle Nullstellen zu zerlegen.

Zumindest theoretisch gilt jedoch:

Satz (Partialbruchzerlegung):

Die Integrale rationaler Funktionen kann man durch Partialbruchzerlegung und geeignete Skalierung auf Integrale der Form

\( \begin{array}{rcl} \int{\displaystyle\frac{1}{x-a}}\,\mathrm{d}x&=&\ln|x-a|\\\displaystyle\int{\displaystyle\frac{1}{(x-a)^m}}\,\mathrm{d}x&=&{\displaystyle\frac{1}{1-m}\frac{1}{(x-a)^{m-1}}}\\ \displaystyle\int\limits{\displaystyle\frac{1}{1+x^2}}\,\mathrm{d}x&=&\arctan(x)\\ \int\limits{\displaystyle\frac{2x}{1+x^2}}\,\mathrm{d}x&=&\ln( x^2+1)\\ \int\limits{\displaystyle\frac{2x}{(1+x^2)^m}}\,\mathrm{d}x&=&{\displaystyle\frac{1}{1-m}\frac{1}{(x^2+1)^{m-1}}}\quad\textrm{und}\\ \displaystyle\int\limits{\displaystyle\frac{1}{(1+x^2)^m}}\,\mathrm{d}x&=&{\displaystyle\frac{x}{2(m-1)(1+x^2)^{m-1}}}+{\displaystyle\frac{2m-3}{2(m-1)}}\int\limits{\displaystyle\frac{1}{(1+x^2)^{m-1}}}\,\mathrm{d}x \end{array} \)

zurückführen. Das letzte Integral lässt sich durch partielle Integration rekursiv bestimmen.

Hier noch einmal zusammengefasst das Vorgehen bei der Integration von rationalen Funktionen durch Partialbruchzerlegung:

  1. Falls Zählergrad \(\geq \) Nennergrad: Polynomdivision durchführen
    konkret: \(\displaystyle\frac {2x^5+x^4-8x-3}{x^4-4} = 2x + 1 + \displaystyle\frac {1}{x^4-4}\)

  2. Nenner zerlegen in Linearfaktoren \(x-x_0\) bzw. quadratische Faktoren \(x^2 + px +q\) ohne reelle Nullstellen,
    konkret: \(\displaystyle\frac {1}{x^4-4} = \displaystyle\frac{1}{(x^+2)(x^2-2)} = \displaystyle\frac {1}{(x^2+2)(x-\sqrt {2})(x+\sqrt {2})}\)

  3. Ansatz für die Partialbruchzerlegung: Zum Faktor \((x-x_0)^ n\) gehören Partialbrüche
    \(\displaystyle\frac {A_1}{x-x_0} + \displaystyle\frac{A_2}{(x-x_0)^2} + ... + \displaystyle\frac{A_ n}{(x-x_0)^n}\)
    Zu jedem quadratischen Faktor \((x^2 + px + q)^ m\) (ohne reelle Nullstellen) gehören die Partialbrüche
    \(\displaystyle\frac {B_1+C_1 x}{x^2 + px + q} + \displaystyle\frac {B_2 + C_2 x}{(x^2 + px + q)^2} + \dots + \displaystyle\frac{B_ m + C_ m x}{(x^2 + px + q)^ m}\)
    konkret: \(\displaystyle\frac {1}{x^4-4} = \displaystyle\frac{A}{x + \sqrt {2}} + \displaystyle\frac {B}{x - \sqrt{2}} + \displaystyle\frac{Cx + D}{x^2 + 2}\)

  4. Bestimme die Konstanten \(A, B, C\) und \(D\). Entweder alles auf den Hauptnenner bringen, Koeffizienten vergleichen und dann das so entstehende Lineare Gleichungssystem lösen
    konkret: nach Ausmultiplizieren von \(1 = A(x - \sqrt{2})(x^2 + 2)+B(x + \sqrt {2})(x^2 + 2) + (Cx + D)(x - \sqrt{2})(x + \sqrt{2})\) ergibt sich
    \((A+B+C)x^3 + (-\sqrt{2} A+\sqrt{2} B+D)x^2+ (2A+2B-2C)x+(-2\sqrt {2}A+2\sqrt {2}B-2D) = 1\) so dass man das lineare Gleichungssystem

    \(\left(\begin{array}{rrrr}1&1&1&0\\-\sqrt{2}&\sqrt{2}&0&1\\2&2&-2&0\\-2\sqrt{2}&2\sqrt{2}&0&-2\end{array}\right)\left(\begin{array}{r}A\\B\\C\\D\end{array}\right)=\left(\begin{array}{r}0\\0\\0\\1\end{array}\right)\)

    erhält, oder alles auf den Hauptnenner bringen und "Nullstellen einsetzen"
    konkret: \(1 = A(x - \sqrt {2})(x^2 + 2)+B(x + \sqrt {2})(x^2 + 2) + (Cx + D)(x - \sqrt {2})(x + \sqrt {2})\)
    Einsetzen von \(x = - \sqrt {2}\) drei Summanden fallen weg \(\Rightarrow A = -\displaystyle\frac {1}{8 \sqrt {2}}\)
    Einsetzen von \(x = \sqrt {2}\Rightarrow B = \displaystyle\frac {1}{8 \sqrt {2}}\)
    Bei den quadratischen irreduziblen Termen setzt man eine der beiden komplexen Nullstellen ein.
    \(1 = (Cx + D)(x - \sqrt {2})(x + \sqrt {2})\) liefert \(1 = 4(Cx + D) \Leftrightarrow \sqrt {2}i \cdot C + D = -\frac{1}{4}\) für \(x = + \sqrt {2}i\). Vergleich von Real- und Imaginärteil ergibt \(C = 0\) und \(D = -\frac{1}{4}\).

Weitere Beispiele zu Partialbruchzerlegung

Zuletzt geändert: Sonntag, 27. Januar 2019, 23:06