3.2 Abstand von Geraden
1 Abstand von Geraden
Hat man in einer Zeichnung verschiedene Punkte und Geraden gegeben, interessiert man sich häufig für Abstände zwischen diesen Objekten oder Winkel zwischen sich schneidenden Geraden.
Es gibt dabei im wesentlichen drei Grundaufgaben:
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Abstand eines Punktes von einer Geraden
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Abstand zweier nicht-paralleler Geraden im \(\mathbb {R}^3\)
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Winkel zwischen zwei sich schneidenden Geraden
Um den Abstand zwischen zwei parallelen Geraden zu bestimmen, sind keine neuen Ideen mehr nötig, hier kann man den Abstand irgendeines Punktes auf einer der Geraden zur anderen Geraden bestimmen.
Der Abstand eines Punktes \(P\) von einer Geraden \(g\) ist dabei der kürzeste Abstand zwischen dem Punkt und irgendeinem Punkt auf der Geraden.
Eine kurze geometrische Überlegung zeigt, dass dieser Abstand am kürzesten ist, wenn die Verbindungslinie senkrecht zu der Geraden ist. Steht die Verbindungslinie nicht senkrecht, dann kann man den Punkt auf der Geraden etwas verschieben und erhält eine kürzere Entfernung.
Für die Berechnung ist hier die Punkt-Richtungsform sehr praktisch, bei der die Gerade \(g\) durch einen Punkt \(A\) und den Richtungsvektor \(\vec{c}\) gegeben ist.
Um den Abstand des Punktes \(P\) von der Geraden \(g\) zu bestimmen, zerlegen wir den Vektor \(\overrightarrow {PA}\) in einen Anteil parallel zu \(\vec{c}\) und einen Anteil senkrecht zu \(\vec{c}\).
Im Abschnitt über die orthogonale Zerlegung hatten wir einen Vektor \(\vec{a}\) in einen Anteil parallel und einen Anteil senkrecht zu einem gegebenen Vektor \(\vec{b}\) zerlegt.
Bei dieser Zerlegung \(\vec{a} = \vec{a}_{\vec{b}} + \vec{a}_{\vec{b}}^{\perp }\) war für \(\vec{a},\vec{b}\in \mathbb {R}^3\) die Darstellung
\(\vec{a}_{\vec{b}}^{\perp}=\displaystyle\frac{1}{\|\vec{b}\|^2}\vec{b}\times(\vec{a}\times\vec{b})\)
möglich. Diese wenden wir nun auf unseren Fall an und erhalten
\(\vec{PS}=\vec{PA}_{\vec{c}}^{\perp}=\displaystyle\frac{1}{\|\vec{c}\|^2}\vec{c}\times(\overrightarrow{PA}\times\vec{c})\)
Die Länge dieses Vektors ist gerade der Abstand zwischen \(P\) und \(g\). Es ist
\(|\vec{c}\times(\overrightarrow{PA}\times\vec{c})|^2=|\vec{c}|^2\cdot|\overrightarrow{PA}\times\vec{c}|^2-((\underbrace{(\overrightarrow{PA}\times\vec{c})\cdot\vec{c}}_{=0})^2\)
also ist
\(|\vec{c}\times(\overrightarrow{PA}\times\vec{c})|=|\vec{c}|\cdot|\overrightarrow{PA}\times\vec{c}|\)
und somit der Abstand \(d=|\overrightarrow {PS}|\):
\(d=\displaystyle\frac{|\overrightarrow{PA}\times\vec{c}|}{|\vec{c}|}\)
\(g:\left(\begin{array}{r}x_1\\x_2\\x_3\end{array}\right)=\left(\begin{array}{r}-2\\0\\1\end{array}\right)+s\left(\begin{array}{r}3\\-2\\4\end{array}\right)\)
durch den Punkt \(A=(-2,0,1)\) und dem Punkt \(P=(3,-1,4)\) beträgt\(d=\displaystyle\frac{\left|\overrightarrow{AP}\times\left(\begin{array}{r}3\\-2\\4\end{array}\right)\right|}{\left|\left(\begin{array}{r}3\\-2\\4\end{array}\right)\right|}=\displaystyle\frac{\left|\left(\begin{array}{r}2\\-11\\-7\end{array}\right)\right|}{\left|\left(\begin{array}{r}3\\-2\\4\end{array}\right)\right|}=\displaystyle\frac{\sqrt{174}}{\sqrt{29}}=\sqrt{6}\).
Abstand windschiefer Geraden
Im \(\mathbb {R}^3\) können zwei Geraden so liegen, dass sie sich nicht schneiden, aber auch nicht parallel sind. In diesem Fall nennt man die Geraden windschief.
Ein Beispiel hierfür sind zwei Geraden, die wie im Bild eingezeichnet durch zwei verschiedene Kanten eines Würfels verlaufen:
Der Abstand zwischen zwei solchen windschiefen Geraden \(g\) und \(h\) ist der kürzeste Abstand zwischen einem Punkt auf \(g\) und einem Punkt auf \(h\). Mit dem oben schon aufgeführten Argument, dass die Verbindungsstrecke durch Verschieben eines der Punkte entlang der Geraden kürzer wird, solange diese Verbindungsstrecke nicht auf beiden Geraden senkrecht steht, sieht man ein, dass die Richtung der Verbindungsstrecke orthogonal zu den Richtungsvektoren beider Geraden sein muss. Wenn \(g\) durch \(\)A\(\) verläuft und den Richtungsvektor \(\vec{u}\) besitzt und \(h\) durch den Punkt \(B\) und den Richtungsvektor \(\vec{v}\) gegeben ist, dann ist die Richtung der kürzesten Verbindungsstrecke durch das Kreuzprodukt \(\vec{n}=\vec{u}\times \vec{v}\) festgelegt. Die Idee besteht nun darin, einen beliebigen Verbindungsvektor zwischen Punkten auf \(g\) und \(h\), zum Beispiel den Vektor \(\overrightarrow {AB}\) in seine Komponenten parallel zu \(\vec{n}\) und orthogonal zu \(\vec{n}\) zu zerlegen. Der Abstand der Geraden ist dann die Länge des Anteils in Richtung von \(\vec{n}\), also
\(d=|\overrightarrow{AB}_{\vec{n}}|=\displaystyle\frac{|\overrightarrow{AB}\cdot(\vec{u}\times\vec{v})|}{|\vec{u}\times\vec{v}|}\)
\(g:\left(\!\begin{array}{r}x_1\\x_2\\x_3\end{array}\!\right)=\left(\!\begin{array}{r}1\\1\\0\end{array}\!\right)+s\left(\!\begin{array}{r}2\\0\\-1\end{array}\!\right)\quad\text{ und }\quad h:\left(\!\begin{array}{r}x_1\\x_2\\x_3\end{array}\!\right)=\left(\!\begin{array}{r}2\\1\\3\end{array}\!\right)+t\left(\!\begin{array}{r}3\\2\\-1\end{array}\!\right)\)
haben den gemeinsamen Normalenvektor\(\vec{n}=\left(\!\begin{array}{r}2\\0\\-1\end{array}\!\right)\times\left(\!\begin{array}{r}3\\2\\-1\end{array}\!\right)=\left(\!\begin{array}{r}2\\-1\\4\end{array}\!\right)\).
Als Abstand der beiden Geraden erhält man damit\(d=\displaystyle\frac{\left|\left(\!\begin{array}{r}1\\0\\3\end{array}\!\right)\cdot\left(\!\begin{array}{r}2\\-1\\4\end{array}\!\right)\right|}{\left|\left(\!\begin{array}{r}2\\-1\\4\end{array}\!\right)\right|}=\displaystyle\frac{14}{\sqrt{21}}=\displaystyle\frac{2\sqrt{21}}{3}\)
Winkel zwischen Geraden
Die Frage nach dem Schnittwinkel zweier Geraden ist einfach zu beantworten, wenn die Geraden in Punkt-Richtungsform gegeben sind. Wenn die beiden sich schneidenden Geraden \(g\) und \(h\) durch den Punkt \(A\) und den Richtungsvektor \(\vec{u}\) bzw. durch den Punkt \(B\) und den Richtungsvektor \(\vec{v}\) gegeben sind, dann ist der Winkel \(\alpha \) zwischen ihnen mit Hilfe des Skalarprodukts zu berechnen:
\(\vec{u}\cdot\vec{v}=|\vec{u}|\cdot|\vec{v}|\cdot\cos(\alpha)\quad\Rightarrow\quad\cos(\alpha)=\displaystyle\frac{\vec{u}\cdot\vec{v}}{|\vec{u}|\cdot|\vec{v}|}\)