INTERVIEW MIT PROF. DR. KARIM FEREIDOONI


Alina Adrian: Hallo, hier ist Alina von „Unser Campus“. Meine Pronomen sind „sie“/“ihr“, und ich freue mich total, dass wir jemanden gefunden haben, die*der uns ein paar Fragen beantworten wird zum Thema „Rassismus an der Hochschule“, und diese Person wird sich jetzt erstmal selbst vorstellen für euch.

Karim Fereidooni: Ja, hallo, hier ist Karim Fereidooni. Ich bin Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum. Das klingt jetzt hochtrabend oder kompliziert, Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung. Ich bilde Politiklehrer*innen aus an der Ruhr-Universität Bochum. Meine Arbeitsschwerpunkte sind Rassismuskritik, Diversität in der Lehrer*innenbildung und politische Bildung in der Migrationsgesellschaft. Das mache ich seit ungefähr fünfeinhalb Jahren, und davor war ich selber einige Jahre Lehrer für die Fächer Deutsch und Sozialwissenschaften an einem Gymnasium im Ruhrgebiet.

Alina Adrian: Könnten Sie noch kurz Ihre Pronomen sagen?

Karim Fereidooni: Ja, ich bezeichne mich als heterosexueller cis-Mann, also ich fühle mich in meinem männlichen Körper wohl und werde auch so von der Gesellschaft wahrgenommen.

Alina Adrian: „Er“ und „ihn“ hätte gereicht.

Karim Fereidooni: Achso. Ja. Ok, „er“ und „ihn“.

Alina Adrian: Dann würde ich einfach anfangen mit der ersten Frage, und zwar: Wie schätzen Sie den Umgang von Universitäten mit dem Thema Rassismus ein, und, Folgefrage: Gibt es genug Forschung zu dem Thema? Ich habe nämlich nicht so viel dazu gefunden.

Karim Fereidooni: Ja, das ist auch meine Analyse sozusagen. Zum zweiten Bereich, den Sie angefragt haben, gibt es genug Forschung: definitiv nicht. Ich glaube, dass Rassismuskritik ein zartes Pflänzchen ist, was derzeit wächst und gedeiht, aber, es gibt sehr wenig Forschung in Deutschland in Bezug auf Rassismus und Rassismuskritik. Es gab eine BMBF-Ausschreibung: 11 Millionen Euro werden da in den nächsten Monaten verteilt. Also, zum ersten Mal erleben wir es in der Bundesrepublik Deutschland, dass Rassismusforschung institutionalisiert stattfindet. Das hat dazu geführt, dass die alte Bundesregierung sich dazu entschlossen hat, 11 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen für Rassismuskritik und Forschung zu Rassismuskritik… Erstmals würde ich sagen. Die Black Lives Matter-Proteste im Jahre 2020, die wiederum die Möglichkeit gaben, für uns als Wissenschaftler*innen und auch für NGOs, Politikberatung zu machen. Wir haben die Bundesregierung nämlich ein Jahr lang beraten, welche Maßnahmen durchgeführt werden könnten im Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus, und ein Punkt war, es gibt keine Gelder, die dafür verwendet werden können, um Rassismuskritik zu betreiben. Deswegen wurde die Ausschreibung veröffentlicht, und ich habe mich mit zwei unterschiedlichen Projekten daran beteiligt. Generell würde ich sagen, sieht es in Bezug auf Rassismuskritik in der deutschen Forschungslandschaft sehr schwierig aus: wir haben Probleme, an Gelder zu kommen, weil die Ausschreibungen nicht dezidiert auf Rassismuskritik gemünzt sind. Ich würde aber auch noch einen anderen Aspekt nennen: ich würde sagen, dass die Bereitschaft, sich mit Rassismuskritik oder mit Rassismus als Analyseinstrument auseinander zu setzen, in der Wissenschaft nicht so hoch ist, nicht so groß ist, weil auch viele Kolleg*innen das eher belächeln, oder viele Kolleg*innen glauben, man sei dann nicht neutral oder objektiv oder würde den wissenschaftlichen Standards nicht genügen. Also eigentlich anlog zu dem, was wir auch in den Gender Studies beobachten. Die Wissenschaftlichkeit wird Rassismusforscher*innen oftmals abgesprochen, wobei ich sagen muss, die gesellschaftliche Notwendigkeit, die sehen wir eigentlich jeden Tag, genau, und wenn Sie mich fragen, wie viele Personen, wie viele Professoren und Professorinnen gibt es mit dem Schwerpunkt Rassismuskritik und Lehrer*innenbildung beispielsweise, wie ich die habe, da würden mir nur zehn bis zwölf Leute einfallen in Deutschland. Es ist wirklich ein zartes Pflänzchen, und was ich  Doktorand*innen sage, die mich ansprechen und sagen, sie wollen zu Rassismus forschen. Denen sage ich: ja gut, ich betreue Sie gerne, wenn das Thema passt und wenn ich Zeit habe, nur, seien Sie sich sicher, eine wissenschaftliche Karriere mit diesem Themenfeld zu machen, mit Rassismuskritik, ist schwierig. Eine wissenschaftliche Karriere zu Rassismuskritik zu machen ist zwar leichter geworden als in den letzten zwanzig Jahren, aber sie bleibt dennoch schwierig. Wenn Sie schnell eine Professur haben wollen, sage ich immer wieder, machen Sie was zu Digitalisierung, also zu eher unverfänglichen Themen. Ja, aber warum ich das mache, ist, weil ich es spannend finde. Rassismuskritik ist ein sehr spannendes Feld  und ich sehe auch die Notwendigkeit, beispielsweise an Schulen und auch für angehende Lehrkräfte, sich mit diesem Themenfeld auseinanderzusetzen, deswegen, ja, macht es mir Spaß, aber, wie gesagt, es ist schwierig, eine Karriere mit diesem Thema aufzubauen.

Alina Adrian: Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Glauben Sie denn, dass diese fehlende Forschung auch beeinflusst, wie Universitäten praktisch mit dem Thema umgehen? Also, wenn jetzt beispielsweise Studierende oder Lehrpersonen Erfahrungen machen, die rassistisch sind, sage ich mal, die rassistische Gewalt erfahren auf dem Campus… Glauben Sie, dass der Umgang der Universitäten beeinflusst ist davon, dass Forschung zu dem Thema einfach fehlt?

Karim Fereidooni: Ja, das glaube ich schon, denn was ich in der Politikberatung gelernt habe, ist: Politiker*innen oder auch Hochschullehrer*innen oder andere Personen, die Maßnahmen umsetzen möchten, brauchen sogenannte hard facts. Und häufig glauben diese Personen, hard facts gebe es mit Hilfe von Prozentangaben, also irgendwie: 22 Prozent haben dieses und jenes gemacht, 16 Prozent dieses… Ja, das glaube ich auch, aber ich würde mich eher als qualitativen Forscher bezeichnen, und ich glaube, mit Hilfe von Interviews beispielsweise kann man in die Tiefenstrukturen der Rassimus- oder Sexismus- oder Heteronormativitätserfahrungen eindringen. Da kann man eigentlich nicht mit Hilfe von quantitativen Daten reinkommen. Ich glaube, es fehlt an Studien, beispielsweise einer Vollerhebung, wieviel Prozent der Personen an der Ruhr-Universität Bochum haben schon mal Rassismuserfahrungen gemacht? Wieviel Prozent haben Sexismuserfahrungen gemacht? Wie sind die damit umgegangen? Sind sie zufrieden mit den Angeboten und Beratungsstellen? Wenn nein, was fehlt ihnen? Ich glaube, wir brauchen Studien zu Ungleichheitsstrukturen auf unserem Campus, in unserer Gesellschaft. Aber wir brauchen auch Menschen, die sich mit der Umsetzung von Maßnahmen auskennen. Und vor allem brauchen wir Menschen, das ist, glaube ich, das Wichtigste: Wir brauchen Menschen, die anerkennen, dass wir nicht in hierarchiefreien Räumlichkeiten leben. Wir brauchen Menschen, die anerkennen, dass Rassismus, Sexismus, Klassismus, Heteronormativität und so weiter, Strukturierungsmerkmale unserer Gesellschaft sind. Beispielsweise sexismusrelevante Wissensbestände: Damit strukturieren wir unseren Alltag. Ich möchte kein Sexist sein, aber sexismusrelevante Wissensbestände wurden mir beigebracht. Nicht, weil meine Eltern ganz besonders bösartige Wesen sind, oder meine Lehrkräfte mir  ganz schlimme Dinge beibringen wollten, sondern, weil das scheinbar normale Wissen nicht problematisiert wird. Und wir brauchen einen Zugang, wir brauchen Menschen, die sich mit Ungleichheitsstrukturen auseinandersetzen, in ihrer Forschung, in ihrer alltäglichen Arbeit, und gleichzeitig auch in der Lage sind, wirkungsvolle Maßnahmen zu etablieren. Und als Letztes brauchen wir auch sinnvolle universitäre Strukturen, das heißt, finanzielle Mittel, Ressourcen. Wir brauchen Menschen, die sich damit auseinandersetzen Tag für Tag. Wir brauchen eine Haltung bei vielen Menschen auf dem Campus, die sagen, das gehört zum Leben dazu. Überall, wo sich Menschen begegnen, gibt es solche Ungleichheitsstrukturen. Aber wir versuchen mal, ein Stück weit diese Ungleichheitsstrukturen zu reduzieren, und dafür nehmen wir Geld in die Hand, dafür stellen wir Personal ein, und dafür bestärken wir die Personen auf dem Campus, die sich mit diesen Themenfeldern beschäftigen.

Alina Adrian: Damit haben Sie meine nächste Frage schon so halb beantwortet, ich würde aber trotzdem nochmal nachfragen: Welche konkreten Maßnahmen müssten in Ihren Augen Hochschulen ergreifen, um möglichst diskriminierungsarm zu werden? Also, vielleicht können Sie da ein, zwei Beispiele nennen. Das ist dann natürlich nicht das Ende der Geschichte, aber das wäre ein guter Anfangspunkt, darüber nachzudenken.

Karim Fereidooni: Wir brauchen Anlaufstellen, die sich mit intersektionalen Diskriminierungsformen beschäftigen. Wir müssen allen Studierenden, allen Mitarbeiter*innen, allen Personen, die im Campusleben eine Rolle spielen, müssen genau wissen: Wohin kann ich mich wenden, wenn mir Sexismus widerfährt? Also, das zum einen, das ist das Wichtigste, würde ich sagen. Wir brauchen das nicht projektartig, sondern dauerhaft institutionell verankert, und zwar im Rektorat. Dann brauchen wir für die Lehrer*innenbildung, - ich fokussiere immer die Lehrer*innenbildung, weil ich eben Politiklehrer*innen ausbilde - wir könnten uns auch vorstellen, ein Zusatzzertifikat zu etablieren, ein Zusatzzertifikat für alle Lehramtsstudiengänge gemeinsam. Das könnten wir mir der Professional School of Education zusammen machen Dieses Zusatzzertifikat heißt „Umgang mit menschenverachtenden, demokratiefeindlichen Bestrebungen“. Und da könnten wir uns nicht nur beziehen auf Rassismuskritik, sondern auf Antisemitismuskritik, auf Sexismuskritik, Kritik der Heteronormativität. Adultismus spielt auch eine Rolle im Raum Schule. Ganz viele verschiedene Diskriminierungsformen könnten wir dort unterbringen, modulartig, so dass die Lehrkräfte nicht nur ein Wissen haben über Ungleichheitsstrukturen, sondern auch gleichzeitig die Fächerbezüge haben. Beispielsweise: Wie kann ich den Chemieunterricht ein Stück weit weniger sexismusrelevant gestalten? Wie kann ich den sozialwissenschaftlichen Unterricht rassismuskritisch gestalten? Wir haben ja gemeinsam mit Nina Simon, einer Kollegin von mir, einen ersten Ansatz versucht. Wir haben ein Buch rausgegeben, das nennt sich „Rassismuskritische Fachdidaktiken“. Wir haben das nur für eine Ungleichheitsstruktur rausgebracht, nämlich Rassismuskritik. Ich kann mir jedoch vorstellen, wenn wir Kolleg*innen zusammenarbeiten, dann könnte dieses Zusatzzertifikat sinnvoll sein, und zwar überfachlich. Ich glaube auch, dass wir an die Themen müssen. In der Lehrer*innenbildung müssen wir ungleichheitsrelevante Themen fokussieren, also diversitätssensible Themen; Wir müssen uns anschauen, welche Literatur wird gelesen? Sind das häufig heterosexuelle cis-Männer, die gelesen werden? Können wir das nicht ein bisschen diversifizieren, also den Kanon des jeweiligen Faches einfach mal sich vergegenwärtigen und schauen, welche anderen Texte gelesen werden könnten. Es kommt auch auf Seminargestaltung an: Habe ich die Möglichkeit, oder biete ich den Studierenden die Möglichkeit, auch selbstständig Themen vorzugeben in einer Seminarstruktur, oder gebe ich als Hochschullehrer*in alles vor. Dann würde ich sagen, als letzter Punkt, weil Sie ja mich gebeten haben, nur einige Punkte zu nennen – als letzten Punkt würde ich mir vorstellen, dass die Universität auch einen Preis ausloben könnte für besonders tolle Projekte auf dem Campus in Bezug auf Diversitätssensibilität. Das hätte eine Sogwirkung für andere Personen. Und, wir brauchen natürlich auch Rollenvorbilder, die sprachlich, aber auch in ihrem gesamten Verhalten, versuchen, Ungleichheitsstrukturen zu reduzieren auf dem Campus.

Alina Adrian: Mhm, und so ein Zertifikat wäre ja auch insofern spannend für Menschen, die an der Hochschule bleiben und lehren, weil auch da ja in vielen Bereichen strukturelle Diskriminierung nicht besprochen wird und keine Rolle spielt, weil es nicht zum Thema gemacht wird. Deswegen wäre so ein Zertifikat auf jeden Fall eine sehr gute Sache. Jetzt habe ich nur einen Punkt rausgepickt.             
Ich würde aber mal weitergehen und fragen: Wir haben ja eine Gleichstellungsbeauftragte an der Uni, die sich Gleichstellungsthemen widmet, zwischen Männern und Frauen, aber glauben Sie, dass wir auch jemanden brauchen, der sich explizit um die Erfahrungen von Studierenden of Color kümmert und beraten kann? Also, bräuchten wir eine extra Beratungsstelle, die sich mit diesen Themen sehr gut auskennt, wo sich Studis hinwenden können, weil die Studis die vulnerabelste Gruppe sind?

Karim Fereidooni: Also, ich glaube, dass Diversität und Gleichstellung breiter gefasst werden sollten als nur in Bezug auf das sozial konstruierte Geschlecht – nur meine ich in Anführungszeichen; nicht, dass das weniger wert ist. Das ist jetzt gar nicht auf die RUB gemünzt, sondern, meiner Erfahrung nach an anderen Hochschulen bekomme ich immer wieder etwas zugetragen von Studierenden oder Beschäftigten, dass beispielsweise Frauen mit Kopftuch oder Männer, die als Schwarz gelesen werden oder sich selber als Schwarze Menschen verstehen, dann zu der Gleichstellungsbeauftragten gehen. Dort wird dann gesagt: ‚Nee, ich bin nicht für Sie zuständig oder ich bin nicht für den Rassismus zuständig, das hat nichts mit meinem Aufgabenbereich zu tun, sondern, ich widme mich nur Sexismus, und das hat nichts mit Sexismus zu tun, Ihr Fall.‘ Wie gesagt, das hatte nichts mit der RUB zu tun, aber an anderen Unis passiert das immer wieder – ich glaube, diese verkürzte, verengte Sichtweise auf das sozial konstruierte Geschlecht führt dazu, dass viele andere Diskriminierungsformen eben nicht wahrgenommen werden. Nur, ich weiß nicht, ob wir jetzt noch eine andere Stelle brauchen. Ich glaube, wir brauchen ein anderes Verständnis der Aufgabenstellung, ein anderes Verständnis von den Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten, nämlich mehr Diversitätsmerkmale zu erfassen, Rassismus, Heteronormativität und Weiteres. Das würde ich mir wünschen. Schauen wir uns doch mal an – ich kenne die genauen Prozentzahlen nicht, vielleicht können wir das nachtragen – natürlich sind Frauen in der Minderheit, wenn es darum geht, Professuren zu bekommen, auch an der RUB, da bin ich mir ziemlich sicher. Es geht natürlich darum, je nach Fachkultur gibt es natürlich mehr oder weniger Frauen, aber wie viele Schwarze Männer, wie viele Männer of Color haben an der RUB eine Professur? Es geht mir nicht darum, Schwarze Menschen oder Menschen of Color gegen Frauen auszuspielen, sondern es geht darum, wirklich zu schauen, wer ist in unserer Universität repräsentiert und wer nicht? Und sich dann zu vergegenwärtigen, wer sind eigentlich unsere Studierenden? Und da sehe ich schon in meinen Vorlesungen oder meinen Seminaren oder auch in unserer Fakultät eine Disparität von denjenigen, die von uns beschult werden oder unterreicht werden und denjenigen, die unterrichten – nicht nur in Bezug auf Mann/ Frau, sondern auch in Bezug auf andere Ungleichheitsstrukturen sehe ich da Disparitäten.

Alina Adrian: Es bräuchte also eine intersektionalitätssensible, oder, man kann auch sagen, diversitäts-, obwohl das natürlich verschiedene Begrifflichkeiten sind, die wir hier jetzt nicht aufgreifen können, intersektionalitätssensible Beratungsstelle. Und das ist etwas, das an Gesetze gebunden ist, die vom Land gemacht werden. Da können die Hochschulen auch nur so weit agieren, wie es der gesetzliche Rahmen vorsieht, das heißt auch, da müsste sich viel ändern – wollte ich nur noch mal kurz anmerken.

Karim Fereidooni: Ja, das stimmt zwar, aber vielleicht darf ich ganz kurz da was sagen.

Alina Adrian: Ja, natürlich.

Karim Fereidooni: Beispielsweise Stellenausschreibungen für Professuren oder wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, da findet man einen Satz, den schreibe ich auch regelmäßig selber rein, wenn ich wissenschaftliche Mitarbeiter*innen einstelle, nämlich: bei gleicher Leistung werden Frauen bevorzugt behandelt oder bevorzugt eingestellt. Gut. Das ist natürlich eine gesetzliche Maßgabe, die finde ich auch gut und sinnvoll, verstehen Sie mich da nicht falsch, ich bin für Gleichstellung, auf jeden Fall; ich glaube, ohne diese Gesetze wären wir noch in einer prekäreren Situation, ohne diese Gesetze wären noch viel weniger Frauen eingestellt worden. Gleichzeitig würde ich mir aber einen anderen Satz wünschen, nämlich, und das ist vereinbar mit der Gesetzesgrundlage derzeit, nämlich einfach einen Satz, wie „Bewerbungen von Menschen mit internationaler Familiengeschichte sind ausdrücklich erwünscht“. Fertig. Also, ich glaube, es geht einfach um Haltung. Und dass man den Bewerber*innen suggeriert: Wir haben noch andere Diversitätsdimensionen im Blick. Genau, darum geht es mir.

Alina Adrian: Ja genau, es ist immer halt die Frage, wie es funktioniert, wenn halt Vorgaben so gesetzlich sind, und die stellenausschreibenden Personen MÜSSEN das machen, oder ist es so eine freiwillige Geschichte. Dann muss man sich halt überlegen, was ist der bessere Weg. Auf jeden Fall spannend. Ich habe das in Stellenausschreibungen tatsächlich auch schon gesehen, manche Personen machen das. Genau, das ist eine Haltungsfrage. Das muss sich wahrscheinlich gerade noch jede Person selbst überlegen und entscheiden. Und da kommen wir wieder zu dem Problem: wer ist eigentlich sensibilisiert überhaupt für das Thema strukturelle Diskriminierung?                
Das passt auch ganz gut zu meiner nächsten Frage: Wie divers sind Universitäten und Hochschulen und welchen Einfluss hat fehlende Diversität auf die Institution Hochschule? Und da muss man natürlich differenzieren zwischen Studis, das haben Sie ja auch schon gesagt, also die Studierendenschaft ist divers, das ist einfach so, und wenn man weiter nach oben schaut, desto gleichförmiger wird es – mir fällt gerade kein besseres Wort ein. Vielleicht können Sie dazu noch kurz was sagen, welchen Einfluss das haben kann, wenn wir Studierenden als Lehrpersonen immer dieselben sehen.

Karim Fereidooni: Um das mit Maisha Aumas Aussage zu verknüpfen:  Maisha Auma hat ja gesagt, Universitäten sind nur tagsüber weiß, denn abends kommen die Personen zum Putzen und die sind meistens Schwarz oder of Color, und ich glaube, das sagt viel über unsere Universitätslandschaft aus. Und ich würde ganz zu Beginn der Wissenschaftskarriere anfangenmit einer Anekdote einer Kollegin von mir. Sie ist selber Frau of Color, so bezeichnet sie sich selber, und sie hat als Person in der Führungsverantwortung viele Personen eingestellt. Dann hat sie an einem Tag mal ein Flurgespräch geführt mit einem Kollegen. Der Kollege hat gesagt: „Du, warum stellst du nur Ausländer ein?“ Da wurde ihr deutlich, wenn man weiß-deutsche Personen einstellt, dann ist das ganz normal in Anführungsstrichen, aber, wenn man Personen mit internationaler Familiengeschichte oder Schwarze Deutsche oder Menschen of Color einstellt,fällt das auf, und dann heißt es „Warum stellst du nur Ausländer ein?“ Erster Punkt: Kein einziger Ausländer war dabei, das waren alle deutsche Staatsbürger, aber die werden trotzdem alle als Ausländer*innen bezeichnet. Es fällt auf, wenn jemand sagt „Ich gucke natürlich nach Leistung, aber ich gucke auch nach anderen Kriterien. Ich will die gesellschaftliche Diversität, die universitäre Diversität auch in meinem Team abbilden: Frauen mit Kindern einstellen, Männern mit Kindern einstellen, Menschen mit Handicaps einstellen, queere Menschen einstellen.“ Darum geht es, und ich glaube, da müssen Professor*innen eine bestimmte Sichtweise erlernen, nämlich nicht immer wieder dieselben Muster anlegen, um Menschen zu fragen: „Wollen Sie nicht bei mir wissenschaftliche Hilfskraft werden?“, weil das der erste Karriereschritt ist, studentische oder wissenschaftliche Hilfskraft zu werden. Und ich glaube, bei diesen Selektionsmechanismen, da entscheidet sich schon ganz viel, weil diese Personen werden nach dem Studium gefragt: „Ja, hier, ich habe da eine Stelle, wollen Sie nicht wissenschaftliche Mitarbeiterin werden?“ usw. Wen wählt man wie aus und zu welchem Zweck und warum immer dieselben. Da würde ich eher meine Kolleg*innen in die Pflicht nehmen und schauen: „Ist die gesellschaftliche Diversität in deinem Team abgebildet? Wenn nicht, woran liegt es? Gibt es diese Leute nicht oder glaubst du, dass diese Leute, die es auch gibt, diesen Job nicht gut machen können?“ Wem wird etwas zugetraut und wem nicht. Und ich glaube, das führt wieder dazu, wenn Schwarze Studierende oder Studierende of Color keine einzige Schwarze Professorin sehen oder keinen Schwarzen Professor sehen, dann glauben sie nicht daran, dass sie es auch schaffen können, wenn sie denn wollen. Rollenvorbilder sind ganz ganz wichtig.

Ich glaube auch, dass in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen Vorbilder wichtig waren. Auch für Mädchen sind Frauen in Führungspositionen ganz entscheidend, weil sie dann ihr Bewusstsein erweitern können und sagen können: „Ja, obwohl mir gesagt wird, ich kann es nicht schaffen, sind dort doch diejenigen Frauen, die vor mir schon diesen Weg gegangen sind.“              
Ich glaube auch, dass es bei der Besetzung von Professuren tatsächlich nicht um die reine Leistung per se geht, sondern es geht auch um die Passung. Eine Kollegin hat mir mal gesagt: „Ja gut, Leistung bringen ja alle, aber ich muss das Gefühl haben, gerne mit dem Kollegen oder mit der Kollegin auch mal einen Kaffee trinken zu gehen.“ Da spielt außerhalb von Leistung eben die Ähnlichkeit eine Rolle zu denjenigen Personen, die schon vorher in der Institution da sind: wie zieht man sich an, wie sieht man aus, wo macht man Urlaub, welchen Musikgeschmack hat man, oder welchen Musikgeschmack wird angenommen, dass man den hätte. Es sind Annahmen oftmals, dass man eher Schwarze Personen und Personen of Color ablehnt. Das ist sehr schwierig, das durchzuführen, diese Diversitätssensibilität, weil viele Entscheidungsprozesse liefen anders, wenn unsere Universität ein Spiegelbild unserer Gesellschaft wäre. Da würden ganz andere Themen verhandelt, auch in Berufungskommissionen, aber leider ist das nicht so. Ich glaube aber, das Bestreben an der RUB ist da, diversitätssensibel zu agieren, und ich hoffe, dass sich in dem Prozess etwas bewegt.

Alina Adrian: Ja, auf jeden Fall. Ich glaube auch, dass gerade das mit den Vorbildern ist supersuperwichtig. Also, grundsätzlich braucht es auch einfach mehr Reflektion in den Entscheidungsprozessen von Menschen in Führungspositionen, würde ich jetzt mal so zusammenfassen, aber auch bei Stellenausschreibungen, was Sie Haltung genannt haben, also wie stehe ich dem ganzen eigentlich gegenüber? Das passt ganz gut; ich habe mir noch aufgeschrieben: Welche Verantwortung kommt den Lehrenden beim Thema Rassismus zu? Wenn sie zum Beispiel nicht in der Sozialwissenschaft sind, wenn sie auch nicht in den Geisteswissenschaften verankert sind. Da kommt das vielleicht eher nochmal vor, auch nicht unbedingt, das ist eben kein festes Modul irgendwo… leider… bisher… zumindest, soweit ich das weiß. Was könnte denn jetzt zum Beispiel jemand an der Hochschule machen oder an der Uni, der oder die – weiß ich nicht – Mathe-Professor*in ist und sagt: „Ich möchte eigentlich dieses Thema irgendwie mit reinbringen. Was kann ich da tun?“ Also, welche Verantwortung können weiße Kolleg*innen von Ihnen aus der Verwaltung und Lehre übernehmen und wie kann sich das äußern?

Karim Fereidooni: Dieser spezifische Kollege oder die Mathe-Professorin kann beispielsweise erstmal ein Buch lesen zum Thema Rassismus. Dann gibt es einige Abhandlungen, auch in dem Buch, was ich gerade schon genannt habe: „Rassismuskritische Fachdidaktik“; dort gibt es ein Kapitel zum Thema Mathematik, da gibt es ein Kapitel zum Thema Physik, da gibt es ein Kapitel zum Thema Biologie, also, auch die Naturwissenschaften sind abgedeckt… das sich vorzunehmen, zu schauen, inwieweit spielt Rassismus, auch wenn ich nicht rassistisch sein möchte trotzdem eine Rolle in meinen Unterrichtsmaterialien zum Beispiel, oder in meinen Aufgabenstellungen, oder in den Strukturen der Universität, und was kann ich dafür machen, um beispielsweise Schwarzen Studierenden oder Studierenden of Color ein möglichst rassismusfreies Lernsetting zu bieten. Man sollte sich Anregungen holen in Bezug auf Rassismuskritik. Das ist zwar ein zartes Pflänzchen, es ist aber auch in der Mathematik so, dass einige Menschen sich jetzt damit beschäftigen. Dann kann man sich auch mit Kolleg*innen austauschen, der Mathe-Kollege oder die Mathe-Kollegin kann ja bei mir anrufen, und dann können wir gemeinsam überlegen, wie das aussehen kann. Dann gibt es die Möglichkeit, externe Personen an die Hochschulen zu holen, temporär zum Beispiel, indem man eine Ringvorlesung initiiert, fächerübergreifend, zum Thema Rassismuskritik in unterschiedlichen Fächern. Dann kann man eigene Workshops besuchen, aber auch initiieren, Anti-Rassismus-Workshops, um als Erstes klarzukriegen. „Was hat mir Rassismus beigebracht, obwohl ich nicht rassistisch sein will?“ Wir sollten nicht damit beginnen, was können wir anderen Menschen Gutes tun, sondern es geht ja auch darum, inwieweit wurde diesem Mathe-Professor oder dieser Mathe-Professorin rassismusrelevantes Wissen weitergegeben; wie hat sie Rassismus internalisiert, obwohl sie nicht rassistisch sein will? Das sind so die Maßgaben. Also, bleiben Sie nicht alleine, wenden Sie sich an andere Personen. Es gibt ja auf dem Campus einige Personen – nicht nur mich – die sich mit Rassismus auseinandersetzen, und da gemeinsam Ideen entwickeln. Das ist die Aufgabe. Als Erstes steht natürlich der Wille, überhaupt etwas zu verändern, den Status Quo, der rassismusrelevant, der sexismusrelevant ist, nicht so stehen lassen zu wollen, sondern den Status Quo verändern zu wollen. Das ist der Anfang des Weges, und das sollte auf Freiwilligkeit basieren.

Alina Adrian: Ich wollte nur kurz sagen, Mathe war natürlich völlig willkürlich gewählt als Beispiel für die Zuhörer*innen. Nicht, dass sich da jetzt jemand irgendwie angegriffen fühlt. Wir haben jetzt viel über Verantwortung des – ich nenne das jetzt mal in Anführungsstrichen – „Führungspersonals“ gesprochen. Sie haben ja auch selbst mal studiert. Was kann man sich von weißen Studis wünschen? Neben reflektieren, sich informieren, mal darüber nachdenken. Also, nicht nur darüber nachdenken, sondern sich wirklich aktiv damit auseinandersetzen: welche Privilegien habe ich? Warum habe ich die? Wie wirkt sich das aus, auch im Seminarraum? Inwieweit können weiße Studierende auch Verantwortung übernehmen, die Uni als einen sichereren Ort zumindest für alle zu gestalten?

Karim Fereidooni: Ein wesentlicher Punkt trägt dazu bei, nämlich den Kampf gegen Rassismus nicht zu führen, um anderen Menschen zu helfen, also, nicht rassismuskritisch werden oder sein, um Schwarzen Studierenden zu helfen oder geflüchteten Studierenden zu helfen, sondern sich selber zu helfen. Weiße Studierende sollten sich ganz egoistisch mit Rassismus beschäftigen, weil Rassismus bringt ja nicht nur MIR etwas bei als Menschen of Color, Rassismus bringt ja auch weißen Studierenden etwas bei. Rassismus bringt weißen Studierenden beispielsweise bei muslimische Menschen als potentiell gefährlich wahrzunehmen oder als Opfer ihrer Religion, je nachdem. Weiße Menschen erlernen eine Fantasie über Schwarze Menschen, über Menschen of Color, und wenn sie nicht von diesen Fantasien regiert werden wollen, dann sollten sie sich egoistisch mit Rassismuskritik beschäftigen, um diese Bilder zu verlernen. Uns wurde beigebracht, rassismuskritisches Denken zu erlernen, und wir können alles dafür tun, um diese Bilder wieder zu verlernen, aber das Verlernen ist schwieriger als das Erlernen. Und ein anderes Beispiel möchte ich aus meinem eigenen Leben geben, und das hat nichts mit Rassismus zu tun, das hat mit Sexismus zu tun. Ich als heterosexueller cis-Mann, der sich in seinem männlichen Körper wohlfühlt und auch von der Gesellschaft so wahrgenommen und akzeptiert wird als Mann, ich kann hundert Bücher zum Thema Sexismus lesen, ich werde nie erfahren, was es heißt sexistisch diskriminiert zu werden. Ganz im Gegenteil. Ich profitiere auch in meiner Karriere von sexismusrelevanten Sichtweisen auf die Wissenschaft, denn in der sexismusrelevanten Sichtweise auf die Wissenschaft bin ich als männlicher Professor eloquenter, schreibe mehr Bücher, bin arbeitsamer, bin intelligenter als meine Kolleginnen. Das stimmt alles gar nicht, aber ich kann, obwohl ich es gar nicht will, nichts gegen diese Ungleichheitsstrukturen tun in erster Linie. Und wenn beispielsweise meine Verwaltungsmitarbeiterin oder meine Doktorandinnen zu mir kommen und sagen, dies und jenes war sexistisch, was du gesagt hast, oder dies und jenes war sexistisch, was wir auf der Tagung gehört haben, und du hast nix gesagt, kann ich entweder reagieren mit: „Stell‘ dich nicht so an, das war nicht so gemeint, du kommst immer mit der Sexismuskeule.“ Ich kann eine Alltagsrealität, die ich nicht erlebe, weil ich privilegiert bin, von der ich profitiere, kann ich de-thematisieren, obwohl ich diese Alltagsrealität nicht erfahre. Ich kann aber auch anders reagieren, ich kann beispielsweise fragen: „Was wünschst du dir von mir?“ oder „Was wünscht ihr euch von mir?“, „Wie kann ich euch ein guter Partner im Kampf gegen Sexismus sein, in unserem Team, aber auch auf dem gesamten Campus?“ Und im besten Fall muss ich gar nicht fragen „Was wünscht ihr euch von mir?“, im besten Fall habe ich mich bereits mit dieser Ungleichheitsstruktur beschäftigt und habe bereits Maßnahmen etabliert, um nicht sexismusrelevant zu agieren. Und das würde ich mir wünschen von weißen Studierenden ganz egoistisch sich gegen Rassismus einzusetzen. Denn Sexismus, bleiben wir mal beim Beispiel, Sexismus bringt ja nicht nur Frauen etwas bei oder denjenigen, die dafür gehalten werden oder die als Frauen in unserer Gesellschaft gelesen werden, sondern Sexismus bringt ja auch MIR als heterosexuellem cis-Mann etwas bei, denn ich muss immer stark sein, ich muss immer auf alles eine Antwort wissen, ich darf nie Schwächen zeigen. Das heißt, Sexismus hat auch mir schablonenhaft beigebracht, was es heißt, ein Mann zu sein, und wenn ich keine Lust mehr habe, diese Schablone zu sein, wenn ich eigentlich ich sein will, Karim mit seinen Stärken und Schwächen, dann muss ich gegen Sexismus auch eigennützig, egoistisch etwas machen. Und das würde ich mir wünschen von weißen Menschen, sich egoistisch gegen Rassismus zu engagieren und nicht immer nur gebeten zu werden: „Ja, mach‘ doch mal dem Karim etwas Gutes oder Ayse etwas Gutes oder Kofir etwas Gutes.“
Nein, wir haben Strategien gelernt, um uns mit Rassismus auseinanderzusetzen, weil Rassismus tritt nicht erst in unser Leben ab dem Alter von 30 Jahren. Ab dem Kindergartenalter deuten wir bereits abwertende Blicke, Witze, Gesten usw. Deswegen würde ich sagen: Beschäftigen Sie sich mit Rassismuskritik, um sich nicht von Ihren rassismusrelevanten Fantasien leiten zu lassen.

Alina Adrian: Ich hatte auch noch überlegt im Vorhinein, weil ich das aus einem geschlechterspezifischen Hintergrund kenne. Wir hatten vorhin über Kanon gesprochen. Sie hatten erwähnt, dass man im Unterricht mit Schüler*innen gucken kann: „Was lesen wir eigentlich?“ Dasselbe gilt für die Uni, und ich möchte hier nochmal Studis empowern: Auch bei Lehrpersonen habt ihr die Möglichkeit zu sagen: „Hey, zu dem Thema gibt es den und den und den Text, den ich schon kenne, können wir den nicht bitte auch besprechen? Oder kann ich mein Referat dazu halten?“  Auch ihr habt ein bisschen Macht, etwas zu verändern. Nur so als praktisches Beispiel, fiel mir gerade ein. Das ist halt wichtig neben der persönlichen Auseinandersetzung in diesen akademischen Räumen auch Raum einzunehmen. So würde ich das nennen. Ich würde jetzt zur letzten Frage kommen, weil unsere Zeit so ein bisschen davonläuft.

Es ist der Moment zum Träumen. In Ihrer Vorstellung: Wie sähe eine antirassistische Hochschule aus? Da können Sie jetzt einfach ein bisschen träumen, ein bisschen überlegen, ein bisschen in eine hoffnungsvolle Zukunft gucken, wenn sich etwas verändern ließe. Den Raum würde ich Ihnen auf jeden Fall gerne noch geben an dieser Stelle.

Karim Fereidooni: Eine antirassistische Hochschule sieht so aus, dass Rassismusforschung nicht belächelt wird. Sondern die Kolleg*innen, die sich damit beschäftigen, auch geachtet werden von anderen Personen; dass Rassismuskritik eine Analysekompetenz wird für pädagogisch Professionelle; dass es Ansprechpartner*innen gibt sowohl dezentral als auch zentral in Bezug auf Rassismuserfahrungen, dass die Hochschulleitung sich diesem Thema widmet und das zur Chefinnensache, zur Chefsache macht, um Maßnahmen zu etablieren; dass eine Kommission eingerichtet wird, die dazu da ist, Fakultäten und auch das Rektorat zu beraten, wie rassismuskritische Maßnahmen umgesetzt werden könnten; dass bei Bewerbungsverfahren geachtet wird auf die Zusammensetzung derjenigen, die entscheiden, wer wissenschaftliche Mitarbeiterin oder wissenschaftlicher Mitarbeiter wird oder Professor, Professorin wird; dass die Hochschule ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist nicht nur bei den Studierenden, sondern auch bei den Hochschullehrer*innen.

Das würde ich mir auch wünschen; dass weiße Menschen sich nicht angegriffen fühlen und nicht glauben, die Thematisierung von Rassismuskritik würde eine Einengung ihrer persönlichen Freiheit bedeuten, sondern ganz im Gegenteil, dass auch weiße Menschen neugierig sind, was Rassismuskritik zu bieten hat, denn ich glaube, dann würden sie Dinge sehen, die sie vorher vielleicht nicht wahrgenommen haben. Und damit meine ich jetzt nicht Geister, sondern ich glaube, sie würden strukturell Dinge sehen, die sie vorher nicht wahrgenommen haben, aber für andere Menschen ganz normaler Bestandteil ihres Lebens sind. Ich würde mir einen netteren Umgang, einen verständnisvolleren Umgang, einen nicht zu scharfen Umgang wünschen in Bezug auf Rassismus und Rassismuskritik. Ich würde mir wünschen, dass keine Täter-Opfer-Sprache angewendet wird, denn wir sind alle von Rassismus ein Stück weit betroffen, nur die Qualität der Betroffenheit unterscheidet sich natürlich. Ja, ich würde mir wünschen, dass wir uns ohne Schaum vorm Mund, ohne wütend zu werden, ohne auszuflippen mit diesem Thema beschäftigen können, weil das eine Lebensrealität für ganz viele Menschen ist. Dass wir eine Hochschule werden, in der alle Menschen gerne in die Hochschule kommen, gerne unterrichten, unterrichtet werden, arbeiten und sich einfach aufhalten, das würde ich mir wünschen.

Alina Adrian: Ich würde einfach mal für mich und meine Kolleg*innen sprechen, das wünschen wir uns auch. Ich möchte mich bedanken für dieses sehr informative Interview. Ich hoffe, dass die Zuhörer*innen einiges mitnehmen können. Ich konnte auf jeden Fall einiges mitnehmen. Vielen Dank.

Karim Fereidooni: Dankeschön.            


**Zum Zeitpunkt des Interviews war Alina Adrian noch WHB beim Projekt Unser Campus. Die Juniorprofessur von Prof. Dr. Karim Fereidooni wurde mittlerweile in eine ordentliche Professur umgewandelt.