Der Satz von Gauß

Der Satz von Gauß stellt einen Zusammenhang zwischen Volumenintegralen und Oberflächenintegralen her.

Satz (Integralsatz von Gauß, Divergenzsatz):

Sei $V\subset \mathbb{R}^3$ ein Normalbereich, dessen Rand aus endlich vielen regulären Flächenstücken besteht. Weiter sei $V\subset \Omega $, wobei $\Omega \subset \mathbb{R}^3$ eine offene Menge ist und $\vec{F}: \Omega \to \mathbb{R}^3$ sei ein stetig differenzierbares Vektorfeld. Mit $\vec{n}: \partial V\to \mathbb{R}^3$ bezeichnen wir den nach außen weisenden Normalenvektor des Randes $\partial V$. Dann gilt

\( \displaystyle\iiint\limits_V\mathrm{div}\vec{F}(\vec{x})\,\mathrm{d}x\,\mathrm{d}y\,\mathrm{d}z=\iint\limits_{\partial V}\vec{F}(\vec{x})\cdot \vec{n}(\vec{x})\,\mathrm{d}\sigma\,. \)

Beispiel:

Wir betrachten den Fluss des Vektorfelds \(\vec{F}=\left( \begin{array}{c}3x+z^2\\ x^2-y\\ z+3\end{array} \right)\) durch die Oberfläche der Kugel \( K=\{ (x,y,z);\;x^2+y^2+z^2=4\} \) vom Radius \(2\). Dann ist \(\mathrm{div} \,\vec{F}=3-1+1=3\) und somit nach dem Satz von Gauß

\( \displaystyle\iint\limits_{\partial K}\vec{F}(\vec{x})\cdot \vec{n}(\vec{x})\,\mathrm{d}S=\iiint\limits_K\mathrm{div}\vec{F}(\vec{x})\mathrm{d}x\,\mathrm{d}y\,\mathrm{d}z=\iiint\limits_K3\,\mathrm{d}x\,\mathrm{d}y\,\mathrm{d}z=3\mathrm{vol}(K)=3\cdot \displaystyle\frac{4}{3}\pi \cdot 2^3=32\pi . \)

Man kann sich leicht klarmachen, dass es sehr viel mühsamer wäre, das Flussintegral direkt auszurechnen.

Wir notieren noch einen einfachen, aber wichtigen Spezialfall des Integralsatzes von Gauß:
Satz:
Bei einem quellfreien Feld (das heißt \(\mathrm{div} \vec{F} = 0\)) ist der Gesamtfluss durch eine geschlossene Oberfläche gleich \(0\).

Bemerkung (Divergenz als Maß der Quellenstärke):

Wendet man den Integralsatz von Gauß auf ein beliebiges Vektorfeld $\vec{F}$ und eine Kugel $K_ r=\{ |\vec{x}-\vec{x}_0|=r\} $ mit einem sehr kleinen Radius $r$ um den Mittelpunkt \(\vec{x}_0\in \mathbb{R}^3\) an, dann gilt

$\displaystyle\iint\limits_{\partial K_r}\vec{F}\cdot \vec{n}\,\mathrm{d}\sigma=\iiint\limits_{K_r}\mathrm{div}\vec{F}(\vec{x})\,\mathrm{d}x\,\mathrm{d}y\,\mathrm{d}z\approx \iiint\limits_{K_r}\mathrm{div}\vec{F}(\vec{x}_0)\,\mathrm{d}x\,\mathrm{d}y\,\mathrm{d}z=\displaystyle\frac{4}{3}\pi r^3\mathrm{div}\,\vec{F}(\vec{x}_0)$

oder umgekehrt

$\mathrm{div}\,\vec{F}(\vec{x}_0)\approx \displaystyle\frac{1}{\mathrm{vol}(K_r)}\iint\limits_{\partial K_r}\vec{F}\cdot \vec{n}\,\mathrm{d}S\,.$

Die Divergenz misst also den pro Volumeneinheit aus diesem Volumen austretenden Fluss und heißt daher auch die Quelldichte von $\vec{F}$. Punkte mit $\mathrm{div} \vec{F}(\vec{x}) > 0$ heißen Quellen und Punkte mit \(\mathrm{div}\, \vec{F}(\vec{x}) < 0\) heißen Senken des Vektorfelds.

Beispiel:

Eine der Maxwellschen Gleichungen der Elektrostatik verknüpft das elektrische Feld $\vec{E}$ mit der Ladungsdichte \(\varrho \):

\(\mathrm{div}\,\vec{E}=\displaystyle\frac{\varrho_{el}}{\varepsilon_0}\)

wobei \(\varepsilon_0\) die elektrische Feldkonstante ist.

Wir betrachten nun eine homogen geladene Vollkugel vom Radius $r$ mit Ladungsdichte $\varrho $ und wenden den Integralsatz von Gauß auf eine Kugel $K$ mit Radius \(R>r\) an.


Figures/elektrisches_feld

Aus Symmetriegründen zeigt das elektrische Feld \(\vec{E}\) in radialer Richtung und ist daher parallel zum Normalenvektor $\vec{n}$. Daher ist \(\vec{E}\cdot \vec{n}=|\vec{E}|\) und

\( \displaystyle\int_K\mathrm{div}\vec{E}\,\mathrm{d}x\,\mathrm{d}y\,\mathrm{d}z=\frac{4}{3}\pi r^3\frac{\varrho}{\varepsilon_0}\)

und

\(\int_{\partial K}\vec{E}\cdot \vec{n}\,\mathrm{d}\sigma\,=\, 4\pi R^2|\vec{E}|,\)

wobei $q=\frac{4}{3}\pi r^3\varrho $ die Gesamtladung der Kugel ist. Nach dem Satz von Gauß ist daher

\(|\vec{E}|=\displaystyle\frac{q}{4\pi R^2\varepsilon_0}.\)


Beispiel :

Sei $\vec{F}$ ein stetig differenzierbares Vektorfeld. Dann ist der Fluss von $\mathrm{rot} \,\vec{F}$ durch eine geschlossene Fläche $S$ immer $0$, denn nach dem Gaußschen Integralsatz gilt mit \(\mathrm{rot}\, \vec{F}\) anstelle von \(\vec F\)

\(\displaystyle \iint\limits_{S}\mathrm{rot}\,\vec{F}\cdot \vec{n}\cdot d\,\mathrm{d}\sigma=\displaystyle\iiint\limits_V\underbrace{\mathrm{div}\,(\mathrm{rot}\vec{F})}_{0}\,\mathrm{d}V=0. \)

Beispiel (Archimedisches Prinzip):

Ein Körper $K$ befindet sich in einer Flüssigkeit der Dichte \(\varrho \). An jeder Stelle seiner Oberfläche übt der hydrostatische Druck eine Kraft $\vec{F}$ aus, die senkrecht zur Oberfläche und proportional zur "Tiefe" $z$ ist:

$\vec{F}=-z\varrho\vec{n}$

Figures/auftrieb

Die gesamte auf den Körper wirkende Kraft erhält man durch Integration über die Oberfläche \(\partial K\):

\( \vec{F}_{Auftrieb}=\left(\begin{array}{c}F_x\\F_y\\F_z\end{array}\right)\,=\,\displaystyle\iint\vec{F}\,\mathrm{d}\sigma=\displaystyle\iint-z\varrho\vec{n}\,\mathrm{d}\sigma\,.\)

Da wir nur skalare Funktionen über Flächen integriert hatten, betrachten wir dieses Integral komponentenweise. Zunächst ist

\( F_x=\displaystyle\iint\limits_{\partial K}-z\varrho\vec{n}_1\,\mathrm{d}\sigma\,=\,\iint\limits_{\partial K}\left(\begin{array}{c}-z\varrho\\0\\0\end{array}\right)\cdot \vec{n}\,\mathrm{d}\sigma=\iiint\limits_K\underbrace{\mathrm{div}\,\left(\begin{array}{c}-z\varrho\\0\\0\end{array}\right)}_{=0}\,\mathrm{d}x\,\mathrm{d}y\,\mathrm{d}z=0\,.\)

Auf analoge Weise erhält man auch \(F_y=0\). Die \(z\)-Komponente dagegen liefert tatsächlich einen Beitrag zur Auftriebskraft:

\(F_z=\displaystyle\iint\limits_{\partial K}-z\varrho\vec{n}_3\,\mathrm{d}\sigma=\iint\limits_{\partial K}\left(\begin{array}{c}0\\0\\-z\varrho\end{array}\right)\cdot \vec{n}\,\mathrm{d}\sigma=\iiint\limits_K\underbrace{\mathrm{div}\left(\begin{array}{c}0\\0\\-z\varrho\end{array}\right)}_{=-\varrho}\,\mathrm{d}x\,\mathrm{d}y\,\mathrm{d}z\,=\,-\varrho\iiint\limits_K\,\mathrm{d}x\,\mathrm{d}y\,\mathrm{d}z. \)

Die Auftriebskraft wirkt also in \(z\)-Richtung nach oben und ist betragsmäßig gleich der Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit.

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