Stabilität

In diesem Abschnitt machen wir einen kleinen Ausflug zu den nichtlinearen Differentialgleichungen. Wir betrachten also Differentialgleichungssysteme, die sich nicht in der Form

$\vec{x}'(t)=A(t)\vec{x}(t)+\vec{b}(t)$

mit einer von $t$ abhängigen $n\times n$-Matrix und einer vektorwertigen Funktion $\vec{b}$ schreiben lassen, sondern bei denen die rechte Seite eine allgemeinere Funktion von $\vec{x}$ ist.

Definition (Ruhelage)
Ein Punkt $\vec{x}_0$ heißt Ruhelage oder Gleichgewicht des Differentialgleichungssystems

$\vec{x}’(t)=\vec{f}(\vec{x}(t))$

falls $\vec{f}(\vec{x}_0)=\vec{0}$ ist.

In diesem Fall ist $\vec{x}(t)\equiv \vec{x}_0$ für alle Zeiten $t$ eine Lösung der Differentialgleichung. Eine wichtige Frage für Ruhelagen von Differentialgleichungen ist immer die Frage nach der Stabilität. Damit ist gemeint, wie sich Lösungen mit einem Anfangswert nahe der Ruhelage verhalten. Man unterscheidet zwei typische Verhaltenweisen:

  • Lösungen mit einem Anfangswert nahe $\vec{x}_0$ entfernen sich immer weiter von $\vec{x}_0$. In diesem Fall nennt man die Ruhelage instabil. Auch minimale Abweichungen von der Ruhelage führen dazu, dass der Abstand der Lösung von der Ruhelage anwächst.

  • Lösungen mit einem Anfangswert nahe $\vec{x}_0$ bleiben auch für positive Zeiten in der Nähe von $\vec{x}_0$. In diesem Fall nennt man die Ruhelage stabil. Man nennt die Ruhelage asymptotisch stabil, wenn alle Lösungen mit Anfangwerten nahe $\vec{x}_0$ für $t\to \infty $ gegen die Ruhelage $\vec{x}_0$ konvergieren. Kleine Abweichungen von der Ruhelage werden also vom System "‘ausgeglichen"’, es kehrt von selbst in die Ruhelage zurück.

Bildlich kann man sich die verschiedenen Fälle so vorstellen:
Eine instabile Ruhelage entspricht einer ruhenden Kugel auf einem Hügel. Sie ist zwar im Gleichgewicht, aber wenn man sie auch nur minimal verschiebt, beginnt sie nach unten zu rollen und entfernt sich immer weiter vom Gleichgewicht.
Eine stabile Ruhelage entspricht einer ruhenden Kugel in einer Mulde. Sie ist im Gleichgewicht und wenn man sie ein wenig auslenkt, dann bewegt sie sich auch nur in der Nähe des Gleichgewichts hin und her. Falls man die Reibung vernachlässigt, dann bleibt die Kugel bis in alle Ewigkeit in Bewegung, mit Berücksichtigung der Reibung nähert sie sich für $t\to \infty $ immer mehr dem Gleichgewicht.

Figures/ruhelage_stabil_instabil