Lektion 1 - Der verfolgte Prophet (Seite 1)

Erfahrungswissen und parabolische Christologie

An einer Reihe von Stellen wird Jesus im Neuen Testament als verfolgter Prophet dargestellt:

Bei anderen Aussagen – über die Notwendigkeit der Kreuzesnachfolge (Mk 8,34 parr.), das Kommen von Verfolgungen (Mk 13,9ff.), die Seligpreisungen (Mt 5,3-12 par. Lk 6,20ff.) – steht das Motiv (etwas verdeckter) im Hintergrund. 

Der Schwerpunkt liegt in den Evangelien; verschiedene Gattungen und Traditionsstränge sind aktiviert; in der nachösterlichen Theologie gibt es ein vernehmbares, aber schwaches Echo. Das sind Indizien dafür, dass damit gerechnet werden sollte, dass Jesus selbst sich als Prophet gesehen hat und die Ablehnung, auf die er gestoßen ist, mit seiner Sendung in Verbindung gebracht hat (vgl. Mk 4,3-9 parr.).

Das Motiv ist alttestamentlich: Immer wieder hat Israel die Propheten überhört und abgelehnt, verfolgt und verstoßen (Neh 9,26). 

  • Es kann zwar antijüdisch missbraucht werden (und ist missbraucht worden), wurzelt aber genuin in der alttestamentlichen Geschichtsschreibung und dokumentiert ein hohes Maß an Selbstkritik, stimuliert durch das Desaster des Babylonischen Exils. 
  • Von der synoptischen Tradition an ist das Motiv bis in die paulinische Polemik hinein ein Instrument innerjüdischer Auseinandersetzung über Jesus und seinen Tod. In der synoptischen Tradition und auch bei Paulus wird es mit aktuellen Katastrophen der jüdischen Geschichte in Verbindung gebracht, vor allem der Zerstörung des Tempels, die sich (auf der Ebene der Evangelien) in Mk 12,9-12 parr. wie in Lk 13,31ff. par. Mt 23 spiegelt.

Im Judentum ist das Wissen um das Leiden der Propheten nicht verlorengegangen. Sowohl Josephus kennt das Muster, um die Tempelzerstörung als Gottesstrafe für Fanatismus und Taubheit gegenüber Warnungen zu deuten, als auch der Rabbinismus: Der wahre Prophet ist der ursprünglich verfolgte und erst später geachtete: „Der Prophet gilt nichts im eignen Land“ (Joh 4,44). Die Biographie des Jeremia ist paradigmatisch. Die Verfolgungen des Elija, des Hosea und Amos sind signifikant. Am wichtigsten wird – bei kanonischer Lektüre – das Jesajabuch, besonders mit den vier Liedern vom leidenden Gottesknecht (die dann aber, in Jes 53, noch weitere Sinnhorizonte eröffnen). 

Jesus steht mit dem Täufer Johannes, seinem Verwandten und Vorläufer, das gewaltsame Geschick eines Propheten unmittelbar vor Augen. Er hat es den Evangelien zufolge als Prophetengeschick gesehen und gedeutet (Mk 11,30ff. parr.). Für die Frage nach seiner eigenen Todeserwartung und Leidensbereitschaft spielt das Martyrium des Täufers (Mk 6,17-29 parr.; Ios., ant. XVIII 5,2) eine erhebliche Rolle. 

Die synoptischen Parallelstellen finden Sie neben den Links zu den Bibelversen auf Bibelserver.de ganz rechts unter "Synopse".


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