Lektion 5: Das Motiv der Erlösung

Das Motiv des Lösegeldes wird an vielen Stellen des Neuen Testaments angespielt:

  1. Nach Mk 10,45 par. Mt 20,28 beschreibt Jesus sich als „Menschensohn“, der „zu dienen“ gekommen ist „und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“. 
  2. Nach 1Tim 2,6 hat Jesus Christus sein Leben als „Lösegeld für alle“ gegeben. 
  3. Nach 1Kor 6,19f. und 7,23 ist für die Gläubigen ein teurer Preis gezahlt worden, durch den sie freigekauft worden sind. 
  4. Nach Gal 3,13f. und 4,5 sind die Gläubigen „herausgekauft“ (oder „losgekauft“) worden „vom Fluch des Gesetzes“ resp, vom „Gesetz“.
  5. Nach 1Petr 1,18f. ist das „kostbare Blut“ Jesu der Preis, um den die Gläubigen erkauft worden sind. 
  6. Nach 2Petr 2,1 wird es falsche Lehrer geben, die leugnen, dass Christus die Christen gekauft hat, so dass sie ihm, dem Herrn, gehören.
  7. Nach Offb 5,9f. und 14,3f. hat Gott die Gläubigen freigekauft, damit sie als Priester im Gottesdienst mitwirken können. 
  8. Nach Apg 20,28 wird komplementär gesagt, dass Gott sich durch das Blut seines eigenen Sohnes die Kirche „erworben“ hat.
  9. Auch dort, wo explizit von „Erlösung“ (πολύτρωσις: Lk 21,28; Röm 3,24; 8,23; 1Kor 1,30; Eph 1,7.14; 4,30; Kol 1,14; Hebr 9,15; 11,36), wörtlich allerdings: „Auflösung“ oder „Entlassung“ die Rede ist, kann das Lösegeld-Motiv im Hintergrund stehen. 

Das Bild des Lösegeldes hat einen alttestamentlichen Haftpunkt im Exodus. Er wird an nicht wenigen Stellen als Freikauf aus der Sklaverei interpretiert (Dtn 15,15; 21,8; 24,18; 2Sam 7,23; Mi 6,4; Ps 78,42 u.ö.). Der Aspekt ist die neue Zugehörigkeit, das Eigentumsverhältnis Gott gegenüber, das sich im Gesetzesgehorsam bewähren soll. Allerdings bleibt offen, wer das Geld bekommt, und ob es zu Recht gezahlt wird.

Die neutestamentlichen Belege setzen unterschiedliche Akzente:

Mk 10,45 par. Mt 20,28 sowie 1Tim 2,6 akzentuieren den unbegrenzten Einsatz Jesu für die Befreiung der Versklavten. Der Sklaventod am Kreuz ist die äußerste Konsequenz seines Dienstes. 

1Petr 1,18f. erhellt die ungeheure Höhe des Preises und damit den Wert derer, die der Erlösung bedürftig sind. 

Gal 3,13f. und Gal 4,5 akzentuieren den Herrschaftswechsel unter dem Aspekt des Zieles, Offb 5,9f. und 14,3f. unter dem des Vollzuges. 2Petr 2,1 betont nicht mehr die Befreiung, sondern nur noch den neuen Gehorsam. 

1Kor 6,19f. und 7,23 machen am hohen Preis, der für die Gläubigen entrichtet wurde, die Verpflichtung fest, nun dem neuen Herrn zu dienen.

Durchweg ist Jesus Christus derjenige, der den Preis bezahlt, und zwar mit seinem Leben (Mk 10,45 par. Mt 20,28) resp. seinem Blut (1Petr 1,18f.). Er selbst ist das Lösegeld. Der Erlöser ist die Erlösung. Offen bleibt die Frage, wem er das Geld entrichtet. Da die Menschen, die er erlöst, sich in der selbst- oder fremdverschuldeten Sklaverei des Todes befinden, liegt die Deutung nahe, dass Jesus – mit seinem Tod – den Teufel auszahlt. Dann erhellt das Motiv die Kehrseite des Bildes von Mk 3,27, dass er wie ein Dieb in Beelzebuls Haus eindringt, um ihn auszuplündern, heißt: die Menschen, die in seiner Gewalt sind, zu befreien. 

Die theologische Aufschlusskraft des Erlösungsmotivs erklärt sich aus seiner sozialgeschichtlichen Referenz. Jesus befreit aus der Sklaverei des Bösen, indem er durch sein Sterben den Preis bezahlt, den die Sünde kostet, damit hin diejenigen nicht zu entrichten brauchen, die sich von der Sünde haben versklaven lassen und gar nicht in der Lage wären, ihn zu zahlen. Die Zahlung leistet den Ausgleich, ohne den es nur eine billige Gnade (Dietrich Bonhoeffer) gibt. Das Motiv des Lösegeldes erhellt nicht den Preis, den man für sich zahlen muss, also etwa um einer Sache treu zu bleiben, sondern den man für andere zahlt, damit sie, die sich selbst nicht helfen können, ihre Schulden loswerden. 



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